Barszene: Welche Helden es wirklich braucht

Angus Winchester, Global Director of Education des Bar Convent Berlins (BCB), ist überzeugt davon, dass die Barbranche Menschen braucht, zu denen man aufschauen kann, die inspirieren und motivieren – wahre Helden eben. 

 

Gerade noch habe ich mich gefragt, über welches Thema ich bloß schreiben könnte? Aber scheinbar wusste es das Universum bereits: Meine Facebook-Erinnerung von vor 11 Jahren handelte davon, dass „wahres Heldentum bemerkenswert nüchtern und sehr undramatisch ist. Es ist nicht der Drang, alle anderen um jeden Preis zu übertreffen, sondern der Drang, anderen um jeden Preis zu dienen“. Wir haben uns gerade noch an die tragischen Ereignisse des 11. Septembers in den USA erinnert. Und dabei nicht nur an den Tod von Zivilisten, sondern auch an das Heldentum der First Responder – der Helfer vor Ort, die ums Leben kamen. In New York hat die 18-jährige Britin Emma Raducanu gerade ein Grand-Slam-Tennisturnier gewonnen. Und auf Instagram schwärmte ich von Bobby Heugel und wie sehr ich nicht nur bewundere, was er tut, sondern auch wie er es tut. Das Universum will, dass ich über Helden spreche.

 

Was Gastro-Helden antreibt

Ich verwende das erste Zitat (seltsamerweise von Arthur Ashe, dem schwarzen amerikanischen Tennisspieler) ziemlich regelmäßig in meinen Schulungen für neue Mitarbeiter im Gastgewerbe. Ich versuche, ihnen zu zeigen, wie edel es ist, anderen dienen zu wollen. Und auch, dass unsere Aufgabe nicht darin besteht, Menschen betrunkener oder dicker zu machen, sondern dafür zu sorgen, dass sie sich besser fühlen – auch wenn wir vielleicht keinen Krebs heilen oder Juden und Araber versöhnen können. Diese Branche ist in ihrem Kern sehr menschlich. Und selbst wenn du dich nicht instinktiv zu ihr hingezogen fühlst, werden dir die vielen Kompetenzen, die du in dieser Branche erlernst, in deinem weiteren Leben von großem Nutzen sein. Die Kunst des Verkaufens, oder Menschen davon zu überzeugen, etwas Neues auszuprobieren. Die Kunst, eine Beziehung aufzubauen, die erfolgreiche Ausübung von Multitasking und vieles mehr. Keiner von uns ist in die Branche gegangen, um reich oder berühmt zu werden. Die Besten haben aber dort angefangen, um anderen zu dienen, trotz der Schwierigkeiten, und das ist wirklich heldenhaftes Verhalten.

 

Die leidigen Kämpfe unserer Branche

Zweitens hat die Pandemie eine neue Kategorie geschaffen, die sich hinter den First Respondern einreiht – die der systemrelevanten Arbeiter. Vom Gesundheitspersonal über Verkäufer bis hin zum Lebensmittel- und Getränkehandel haben wir vielleicht nur gemeinsam, dass wir schlecht bezahlt sind – und nicht, wie viele Einwanderungsbehörden glauben machen wollen, schlecht ausgebildet. Unsere Branche wurde dezimiert und die Menschen in ihr haben zu kämpfen. Doch selbst wenn die Bevölkerung den Verlust von Sozialräumen beklagt, wenn sie zurückkehren dürfen, behandeln sie das Personal schlecht. Das kann sich äußern, indem sie beispielsweise gegen die Durchsetzung von Masken und Impfungen wettern. Aber auch die Gewohnheit des Nichterscheinens von Gästen, die Restaurants massiv schadet, ist nicht besser, sondern schlimmer geworden. Ich kenne leider viele, die unsere Branche wegen des furchbaren Verhaltens anderer Menschen während der Pandemie verlassen – der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Auch wenn wir nicht diejenigen sind, die ins Feuer rennen, kann sich der sogenannte systemrelevante Arbeiter durchaus heldenhaft fühlen.

 

Heldentum kennt kein Alter

Drittens sollte der kometenhafte Aufstieg von Emma Raducanu nicht nur als Triumph für Großbritannien betrachtet werden, sondern tatsächlich als Lektion und Inspiration für uns alle. Als Gesellschaft sind wir von der Jugend fasziniert – all die 30 unter 30-Listen sind ein Beweis dafür. Und obwohl ich als Mann mittleren Alters der Meinung bin, dass Langlebigkeit in unserer Branche auch gefeiert werden sollte, bin ich immer noch von solchen Taten wie Frau Raducanus inspiriert. Vor allem, wenn man bedenkt, dass nicht nur ihr natürliches Talent, sondern auch ihre Einstellung offensichtlich ist. Von ihrer Arbeitsmoral bis hin zu ihrem ständigen Wunsch, sich weiterzubilden und sich selbst zu verbessern, ist sie ein Vorbild – nicht nur für junge Tennisspielerinnen –, sondern für alle jungen Menschen, die in ihrem gewählten Beruf erfolgreich sein wollen. 

 

Vorbilder suchen und finden

Und schließlich Bobby Heugel: Einigen mag sein Name nicht viel sagen. Aber ich bin mir sicher, dass diejenigen, die ihn kennen, mir zustimmen werden, dass er ein Held und ein Vorbild ist. Seht euch einfach seine BCB-Session von 2018 an und ihr erfahrt, warum ich – und so viele andere Hardcore-Profis – Fans sind.

Und das ist wichtig, denn unsere Branche braucht Helden und Vorbilder. Diese Menschen können Menschen sein, die wir bewundern, weil sie so anders sind als wir und dennoch Qualitäten haben, die wir anstreben (siehe Frau Raducanu für mich). Sie können aber auch Menschen sein, die wir anstreben, weil sie uns ähnlich sind und uns so Hoffnung geben, dass auch wir so sein können wie sie. Ich bin mir sicher, dass wir alle solche Menschen in unserem Leben und in unserer Branche haben. Es ist eine der Freuden als Global Director of Education des BCBs, diese Menschen ausfindig zu machen und sie zu bitten, zu kommen und von sich und ihrer Arbeit zu erzählen. Und wenn du solche Personen noch nicht kennst, dann hoffe ich, dass du Menschen wie Sean Finter, Tiffanie Barriere, Jad Ballout und die anderen „Helden“ siehst, die auf unseren Bühnen stehen oder virtuelle Sessions aufnehmen – nicht um andere zu übertreffen, sondern um anderen zu dienen. Sie und der Rest von ihnen sind meine Helden!