BCB-Talk: Afroamerikanische Bartender und ihr Einfluss auf die Bar- und Cocktailkultur

 © BCB/Gili Shani 

Nicht allein weiße Männer mit Schnurrbärten haben die Cocktailkultur begründet: Mit diesen einführenden Worten überließ Angus Winchester, Global Education Director des Bar Convent Berlin, der amerikanischen Bartenderin und Autorin Tiffanie Barriere die Hauptbühne zum Abschluss des ersten BCB-Tages.

Was folgen sollte, war ein fulminanter, dem Fachpublikum vor Ort und per Livestream zugeschaltet die Augen und Ohren öffnender Talk über einen Teil der Geschichte der Cocktail- und Barkultur, über die immer noch viel zu selten gesprochen und berichtet wird. Dieser Teil hat mit dem düstersten Kapitel der Vereinigten Staaten zu tun, der Zeit der Sklaverei. Schon im 16. Jahrhundert, da waren die Staaten noch gar nicht gegründet, wurden bekanntlich unzählige Menschen vor allem aus Afrika in die „neue Welt“ verschleppt, um dort auf Plantagen, als Diener und Hausangestellte der Weißen/Sklavenhalter Zwangsarbeit verrichten zu müssen.  

 

Es geht um die Geschichte, immer…

Die Verbindung zwischen der Sklaverei und der Cocktail- und Barkultur erschließt sich nicht unmittelbar, doch sie ist es. Den Konnex für sich selbst hergestellt hat Tiffanie Barriere, die lange Zeit das „One Flew South“ am Flughafen von Atlanta managte und es zur weltbesten Flughafenbar („Tales of the Cocktail 2014“) machte, im Rahmen von Teilnahmen an Cocktail-Wettbewerben. Gilt es dort doch, neben dem Mixen eines guten Drinks auch eine Geschichte zu erzählen. Sie habe nicht immer nur die Story der darin enthaltenen Spirituosen erzählen wollen, sondern auch ihre Story, erklärt sie.

 

Das Erbe ihrer Vorfahren

Die Geschichte einer schwarzen Frau, in Houston, Texas geboren, in Louisiana aufgewachsen. Sie habe sich zudem gefragt: „Woran liegt es eigentlich, dass ich als schwarze Frau so besonders (gast-)freundlich bin? Warum weiß ich, wie man Tee und gute Cocktails macht? Wieso bin ich eine so gute, viele Wettbewerbe gewinnende Bartenderin?“, erzählt sie lachend in ihrem Talk. Sie sei schließlich zu der Erkenntnis gekommen: Es liegt in ihr, es ist das Erbe ihrer Vorfahren. „Unsere Aufgabe war es, zu dienen“, so Barriere, sich um das Servieren von Speisen und Getränken in den Häusern ihrer „Besitzer“ zu kümmern. Niemand habe den schwarzen Sklaven damals gesagt, wie sie dies tun sollten, nur dass sie es tun sollten – und so sei, verbunden mit tradierten Kenntnissen in Naturheilkunde, ein enormes Wissen in der Herstellung von Getränken, z.B. Spirituosen wie Whiskey, entstanden, und das, was wir heute Servicekultur nennen. Barriere: „We’re kind of amazing!“

 

4 in Vergessenheit geratene schwarze Persönlichkeiten der Getränkeszene

Sie stellte im Folgenden einige Beispiele schwarzer Persönlichkeiten vor, die ihre Spuren in der Barkultur hinterlassen haben, ohne dafür je hinreichend gewürdigt worden zu sein. Der vermutlich noch bekannteste unter ihnen ist Antoine Amedee Peychaud, ein aus Haiti stammender Apotheker, der um 1830 in New Orleans die heute aus keiner Bar wegzudenkenden Bitters kreierte. 

Mit dem Namen Cato Alexander hingegen werden nur Wenige etwas anfangen können. 1780 vermutlich im Süden der USA als Sklave geboren, mixte der Mann seine South Carolina Milk Punches und Egg-Nogs derart versiert, dass sogar Präsident George Washington bei Besuchen des Inns, in dem Alexander arbeitete, auf seine Drinks aufmerksam wurde. Unter dem Namen „Cato’s Tavern“ konnte er als einer von nur sehr wenigen Schwarzen später eine Gastronomie in New York eröffnen. Seine Drinks genießen durften jedoch weiterhin nur Weiße. 

Auch Tom Bullock ist heute kein allzu geläufiger Name. Dabei veröffentlichte der 1872 im Whisky-Mekka Louisville, Kentucky geborene Sohn eines Sklaven um 1917 das wohl erste Barbuch eines Afroamerikaners. In dem Country Club in St. Louis, in dem er als Barchef arbeitete, brachte er den Old Fashioned ebenso zur Perfektion, wie er das stille, sorgsame Arbeiten hinter dem Tresen kultivierte, berichtete Barriere. Dass sein Buch „The Ideal Bartender“ als Nachdruck seit 2015 wieder erhältlich ist, kann man als eine späte Anerkennung seines Schaffens lesen. 

Besonders eindrücklich ist die Vita von John Dabney (1824-1900), einem Sklaven der Familie DarJarnette in Richmond, Virginia. Als Bartender in einem Hotel der Stadt hob er die seinerzeit überall zu habenden Juleps in eine von den Gästen stürmisch applaudierte Sensation namens „Hail Storm Mint Julep“ mit handgekratztem Eis, bunten Beeren und frischer Minze. Mit dem Geld, welches er hinter der Bar, als Caterer sowie als erfolgreicher Jockey (!) verdiente, konnte er später seine Frau aus der Sklaverei freikaufen und ein eigenes Restaurant eröffnen. 

 

Amerikanische Bartenderin schreibt Geschichte

Barriere hätte noch viele weitere Beispiele bringen können und wird dies bald tun, denn sie arbeitet zurzeit an einem Buch über diese Geschichte(n). Ihre Botschaft auf dem BCB kam zweifellos an: Die Cocktail- und Bargeschichte muss um ein großes Kapitel erweitert werden. Limonaden, Shrubs, Smashes – viele dieser Getränke haben ihren Ursprung auf den Farmen, Feldern und Plantagen des „Deep South“ der heutigen USA, stammen aus den Händen der schwarzen Sklaven, so Barriere. Sie schloss ihren Vortrag mit Fotos befreundeter people-of-color-Bartender*innen, die heute in den Bars der USA und auf der ganzen Welt für inspirierende Drinks und Gastfreundschaft sorgen. Es freue sie, dass heute immer mehr von ihnen mit Stolz diesen Teil der Barkultur-Geschichte, der seit Jahrhunderten existiert, aber immer ungesehen und ungehört geblieben ist, mit ihren Gästen und ihrem Publikum teilen. „Wir müssen diese Geschichte nun erzählen, weil unsere Vorfahren nie die Möglichkeit dazu hatten“, so Barriere. 

Mehr Infos über Tiffanie Barriere auf ihrer Webseite: 
www.thedrinkingcoach.com