Gut Holz – fassgereifte Biere erobern die Tresen

 © Brauerei Sander



Fass-Bier: Was für ein wichtiger Begriff für den deutschen Biertrinker. Ein gut gezapftes Gebräu vom Fass, am liebsten mit appetitlicher Schaumkrone! In anderen Bier-Nationen schüttelt man den Kopf, aber hierzulande gilt dies als Nonplusultra.

Doch das Miteinander von Bier und seinem Fass entwickelte sich sehr unterschiedlich durch die Zeiten hindurch. Ursprünglich war das Holzfass das ideale Aufbewahrungs- und Transportgefäß für alle Arten von Flüssigkeiten, insbesondere von Getränken. Den aromatischen Einfluss des Holzes, zumeist des Eichenholzes, nahm man in Kauf. Manchen Produkten stand es besonders gut wie Whisky, Weinbrand und Wein. Bei anderen wollte man gerne darauf verzichten. Speziell die Brauer bemühten sich, die Holznoten des Fasses aus ihrem Bieraroma zu verbannen. Mit der Hilfe von kochendem Wasser oder mit einer Pechbeschichtung sollten die Holzaromen gemindert werden. Später vermochten dann Behältnisse aus Metall oder Kunststoff das Bier aufzunehmen und geschmacksneutral aufzubewahren.

 

Das Comeback der Eiche

Heutige Brauer entdecken den Charme der Holzfassreifung wieder. Gerade Bierstiele, wie Stout oder Barley Wine gewinnen zuweilen eine aromatische Tiefe aus Eichenholzfässern hinzu, um dann noch köstlicher zu munden. Und wenn diese Fässer eine Vorbelegung, beispielsweise mit Whisky, Whiskey, Rum, Calvados oder Cognac aufweisen können, kommen noch weitere spannende aromatische Nuancen hinzu. Die neue Generation von Braumeistern widmet sich zunehmend den Aromen und chemische Reaktionen, die Vanillin, Tannin, Hemicellulose und mehr für Bier bedeuteten.

 

Fässer in Michigan

Aufregend für jeden Brauenthusiasten ist ein Besuch bei der Founders-Brauerei in Rapid Falls, Michigan. 2002 begann die Brauerei mit einem ausgefeilten Barrel-Aging-Programm, das rasch zum Aushängeschild der Brauerei wurde. Die Brauerei verfügt über stolze 25.000 Fässer. Ein Großteil lagert 30 Meter unter der Erde in einer stillgelegten Gips-Mine. Hier reifen ihre Erfolgsbiere, wie das Kentucky Breakfeast Stout (KBS), ein Imperial Stout, das in Bourbon Fässern reift. Oder das Canadian Breakfast Stout (CBS), dessen Fässer zuvor mit Ahornsirup befüllt waren. Zahlreiche Experimentalsude lagern in den Fässern und so findet das Team bei Founders heraus, wie sich Sauerbiere in ehemaligen Islay-Fässern entwickeln oder welche aromatischen Überraschungen entstehen, wenn ein Fass zuvor mit Sojasauce befüllt war.

 

Inspiration aus den USA

Auch hierzulande erkunden die Braumeister zunehmend die Faszination Holz. Das US-Gesetz, dass Fässer für Bourbon- und Rye-Whiskey neu sein müssen, sorgt für ordentlich Nachschub für amerikanische Brauer, die gerne die gebrauchten Weißeiche-Fässer übernehmen. Doch zahlreiche Fässer kommen auch nach Europa und werden zu Behältnissen für schottischen Single Malt, irischen Whiskey und zuweilen auch europäische Biere. Hinzu kommen deutsche und französische Eichengattungen, die jeweils eigene aromatische Profile und somit eine immense Vielfalt für die Getränkebranche bedeuten.

Fass-Spezialisten, wie Wilhelm Eder haben sich bereits einen Namen gemacht und bieten eine Vielzahl von Fassoptionen. Von kleinen, Bar-tauglichen Behältnissen für Barrel Aged Cocktails, bis zu wiederaufbereiteten, vorbelegten Fässern für Destillate und Biere – das Sortiment ist umfangreich.

www.faesser-shop.de

 

Fassgereifte Spezialitäten in Nord und Süd

Der Umgang mit den Fässern will gelernt sein und einige deutsche Brauer entwickeln bereits eine gute Expertise und erzeugen herausragende fassgereifte Biere. In Hamburg begeisterten zuletzt die Spezialitäten der Kreativbrauerei Kehrwieder. Oliver Wesseloh beweist ein hervorragendes Händchen und so sind die Fassreifungen stets rasch ausverkauft. Herrlich das „South Islay“ Imperial Russian Stout aus dem Laphroaig Fass oder auch der Seehafen XV. Eine Saison im belgischen Stil, dass über 2 Jahre in Sauternes und Moscatel Fässern reifte.

www.kehrwieder.beer 

 

Die Braumanufaktur Sander aus Worms bringt Bierkultur in das Herz der Weinregion Rheinhessen. Ulrich Sander braut unter anderem großartige Bockbiere und seine Kunden durften feststellen, wie herrlich ein Bockbier mundet, wenn es einige Zeit in einem ehemaligen Rumfass verbringt. Doch auch die Kombination aus Stout mit Bourbonfässern gelingt prächtig.

www.brauerei-sander.de

 

In Berlin erlebt die Berliner Weisse eine verdiente Wiederbelebung. Mit Braumeister Oli Lemke widmet sich der Chef der Braumanufaktur Lemke mit großer Begeisterung den zahlreichen Facetten des Bierstils, dessen Säure eine sensorische Besonderheit bietet. Die Vermählung mit Früchten gelingt der Marke und neuerdings ebenfalls jene Herausforderung, die säuerliche Weisse im Holzfass zu veredeln. Seine „Königin Luise“ wurde mit 8 % Vol. Alk. eingebraut und holzgereift. Gewidmet der preußischen Königin ist das Bier in der eleganten Großflasche ein königlicher Genuss

www.lemke.berlin

 

In der Genossenschaftsbrauerei im brandenburgischen Gutshof Börnicke gründete Thomas Tyrell 2020 sein spannendes Projekt unter dem Namen „Tyrell Braukunstatelier“. Der Brau-Ingenieur hatte zuvor mit seinen Suden bei der Stone Brewing in Berlin überzeugt und widmet sich nun dem Phänomen der Biere mit Reifungspotenzial. Selbstverständlich sollen ein Pils und ein Helles möglichst frisch getrunken werden, doch immer mehr Genießer und Gastronomen entdecken die Faszination von Bieren, die lange reifen können, lagerfähig sind und sich dadurch immer komplexer entwickeln. Holzfässer spielen dabei eine wichtige Rolle wie Tyrell weiß. Sein Kokosporter auf Akazienholz und sein Barley Wine, gereift auf Cognac-Hölzern munden bereits heute und werden die geduldigen belohnen, die die Flasche noch für weitere fünf oder mehr Jahre einlagern.

www.tyrellbraukunstatelier.de

 

Manche Fässer finden den Weg dann auch wieder zurück in eine Destillerie und insbesondere die Whisky-Branche überraschte zuletzt mit spannenden Destillaten gereift in Stout- oder India Pale Ale-Fässern.

 

Demzufolge wandeln wir einen alten Spruch ab und verlautbaren: Holz und Bier – das rat’ ich dir!

 

 

© Kehrwieder South Islay

© Braumanufaktur Lemke

© Tyrell Braukunstatelier