RTD = Richtig traumhafte Drinks?

© Cocktailando

Was hat es mit „Ready to Drink“ auf sich und welche Chancen bietet der Trend für die Spirituosen- und Bar-Szene? Unser Autor Peter Eichhorn hat sich das Ganze einmal genauer angeschaut.

 

Sie taucht immer öfter in Analysen und Wirtschaftsberichten auf. Jene ominöse Abkürzung „RTD“. „Ready to drink“ bedeutet die Buchstabenkombination und beinhaltet all jene Getränkeprodukte, die eine flüssige Mischung enthalten und nur noch eine Kühlung benötigen, um sie mit möglichst wenig Aufwand zu servieren und unmittelbar zu trinken. Insbesondere in den Vereinigten Staaten weist die Kategorie beeindruckende Wachstumszahlen auf und animiert immer mehr Akteure, in diesen Markt einzusteigen.

 

Neuer Trend wirft Fragen auf

Was hat es hierzulande auf sich mit dieser Kategorie? Handelt es sich um eine temporäre Notlösung, entstanden in Coronazeiten? Oder werden auch wir uns nach der verblassten Alkopop-Generation der frühen 2000-er Jahre an neue Premix- und Designer-Drink-Konzepte neu gewöhnen müssen? Und für ernsthafte Mixgetränke gilt es zu prüfen, welche Rolle Bottled und Canned Cocktails in Flaschen und Dosen künftig spielen. Und welche Chancen bietet der Trend für die Spirituosen und Bartending-Szene?

 

Hard Seltzer - Jedes Land trinkt anders

In einer aktuellen Analyse von Oktober 2021, erwarten die US-Experten des Wirtschaftsmagazins „Forbes“ eine Verdoppelung der Absatzzahlen im RTD-Segment bis 2025 in Nordamerika. Neben den altbekannten Rum-Cola, Whiskey-Cola und Gin-Tonic Dosen, blicken die Amerikaner nun auf eine gewaltige Woge aus immer neuen Kreationen von Port & Tonic über Vodka-Spritz bis zu Espresso Martinis aus der Dose. Anführer der steil ansteigenden Verkaufszahlen ist die Hard-Seltzer-Kategorie. Auch auf dem Bar Convent Berlin im vergangenen Herbst konnten einige dieser Drinks verkostet werden. Alkoholgehalt von fünf Prozent, eine meist dezente, aber abwechslungsreiche Aromatisierung und kräftige Kohlensäure.

 

Höhenflüge in der Getränkenbranche

Die Spur der Hard Seltzers führt zurück bis ins Jahr 2013. Eher unbemerkt kamen erste einzelne Produkte auf den Markt. Doch ab 2018 begann der Höhenflug, angeführt von der Marke „White Claw“ und befeuert von diversen Influencer-Videos. Die Verkaufszahlen von White Claw lagen 2018 bei 154.8 Millionen Dollar, um dann 2019 auf stolze 627.2 Millionen anzuwachsen. Viele bezeichnen die Kult-Marke als „die Coke unter den Hard Seltzers“. Mittlerweile steigen immer mehr der großen Marken in den Hard Seltzer Bereich ein. Jose Cuervo, Mountain Dew, Corona, Bud Light, Michelob, Sauza und Smirnoff. Ganz zu schweigen von den zahlreichen Brauereien, deren Bierverkäufe während Corona absackten und die stattdessen eifrig Hard Seltzer brauten.

 

Irgendwie doch Alkopop?

Insbesondere in Deutschland kommt der Trend nur zögerlich an. Die Neugierde der Verbraucher hält sich in Grenzen und die Unternehmen müssen gerade hier jene besondere gesetzliche Regelung der „Alkopopsteuer“ beachten, die den Status einer „Sondersteuer“ einnimmt.

 

Eine Mischung aus Steuern und Gesetzen

Das Bundesfinanzministerium erklärt: „Die Alkopopsteuer wurde in Deutschland mit dem Gesetz zur Verbesserung des Schutzes junger Menschen vor Gefahren des Alkohol- und Tabakkonsums vom 23. Juli 2004 (BGBl. I S. 1857) eingeführt. Sie wird von der dem Bundesfinanzministerium unterstellten Zollverwaltung erhoben. Das Steueraufkommen steht dem Bund zu. Sogenannte Alkopops sind grundsätzlich alkoholhaltige Süßgetränke, die einen Alkoholgehalt von mehr als 1,2 % Volumen, aber weniger als 10 % Volumen aufweisen und trinkfertig gemischt in verkaufsfertigen, verschlossenen Behältnissen abgefüllt sind. Sie unterliegen im deutschen Steuergebiet (Bundesrepublik Deutschland, ohne das Gebiet von Büsingen und ohne die Insel Helgoland) der Alkopopsteuer. Die Alkopopsteuer, die zusätzlich zur Alkoholsteuer erhoben wird, beträgt 5.550 Euro je Hektoliter reinen Alkohols. Bei einer 0,275 Liter-Flasche und einem Alkoholgehalt von 5,5 % Volumen sind dies rund 84 Cent.“

Juristen sehen einige Schwachpunkte in dem Gesetz, da es sich auf die Branntweinsteuer bezieht, wodurch die Interpretation diskutiert wird, dass somit Wein- oder Bier-basierte Getränke nicht darunterfallen. Viele Unternehmen sehen somit eine Grauzone und warten ab. Zumal eine überzeugende Nachfrage sich noch nicht einstellt.

 

Mein Cocktail bitte in die Flasche!?

Forbes unterteilt den US-Markt in RTD-Unterkategorien, wie Hard Kombucha, Hard Coffee, Hard Tea, Wine Spritzers und aromatisierte alkoholische Getränke à la Energy-Alkoholika. Auch echte Cocktails führen die Analysten auf, fügen aber hinzu, dass beispielsweise in Australien, Kanada und Deutschland diese Cocktails bedeutsamer im Markt auftauchen als in den USA.

Zahlreiche Gäste vermissten ihre Bars in den Lockdown-Phasen und so entwickelten die Bartender flugs ihr Angebot für den Cocktail für zu Hause. Viele – Bartender und Gäste – sind froh, nun endlich wieder leibhaftig das Tresentreiben genießen zu dürfen. Doch einige Konzepte sind gekommen, um zu bleiben. Drei Beispiele möchten wir vorstellen.

„Home Cocktails“ aus Hamburg

Aus Hamburg kommt das Projekt von Leonard Orosz und Thomas Lang, letzterer wohlbekannt aus der Frankfurter Kinly Bar. „Home Cocktails“ heißt die Marke mit originellen und ungewöhnlichen Cocktails. Leo berichtet von ihrer Inspiration und den Erfahrungen:

„Thomas und ich haben unabhängig voneinander schon vor einigen Jahren mit Pre-Bottled Drinks experimentiert. Hauptsächlich ging es damals darum, an der Bar schneller zu sein. Während des ersten Lockdowns, haben wir dann die Idee weiterentwickelt und eine Marke kreiert, denn das Potenzial für Bottled Cocktails ist enorm. Wir haben natürlich einen Online-Shop wo man als Endkonsument die Drinks nach Hause bestellen kann. Doch wir beliefern auch Hotels und Restaurants, die keinen Mixologen haben, aber trotzdem einen erstklassigen Drink anbieten möchten. Natürlich passen unsere Drinks auch hervorragend in jede Minibar. Des Weiteren beraten wir auch und bieten White Label Lösungen an. So haben wir beispielsweise für GO by Steffen Henssler die Entwicklung und Produktion der Drinks übernommen. Ich bin jetzt seit 2007 mehr oder weniger durchgehend Arbeitgeber und beobachte natürlich die personelle Entwicklung und die damit einhergehenden Herausforderungen. Bottled Cocktails sind da zwar nicht die Lösung, aber es ist eine kleine Hilfe.

© Home Cocktails

In Asien und Amerika ist die Akzeptanz gegenüber Bottled Drinks deutlich höher. Da muss man mit dem F&B Manager nicht mehr viel reden. Deutschland hängt ein wenig hinterher, aber das wird sich in den kommenden Monaten und Jahren sicherlich ändern.

Das, was die Barkeeper während Corona angefangen haben, um den Lockdown zu überleben, wird sich weiterentwickeln und wird professioneller. Die Industrie schläft nicht und entwickelt bereits Konzepte, weil sie einen profitablen Markt sieht. Ich glaube, es wird spannend zu sehen, wo die Reise hingeht.“

Hier geht's zu Home Cocktails.

„Bottle Lab & Co.“ aus Bonn

Die charmante Bonner Bar „Waiting Room” ist die Wiege der Marke Bottle Lab & Co. von Alexander und David Kunze. Alex zeigt sich von der bisherigen Entwicklung zufrieden:

„Wir haben die Archive der Cocktailgeschichte durchkämmt und sechs Klassiker aus verschiedenen Epochen und Regionen ausgewählt: Old Fashioned, Negroni, Vesper Martini, Bobby Burns, El Presidente und Sazerac. Somit konzentrieren wir uns auf puristische Archetypen der Drinkkultur mit möglichst originalgetreuen Rezepturen, die so bereits seit vielen Jahrzehnten getrunken und geschätzt werden. Damit heben wir uns von einigen unserer Mitbewerber ab, die eher auf kreative Eigenkreationen oder moderne Twists diverser Klassiker setzen. Unser Ziel ist es zum einen, den Gästen unserer Bar ihre präferierten Drinks in stets gleichbleibender Qualität unabhängig von unseren Öffnungszeiten anzubieten. Weiterhin möchten wir aber auch versuchen, etwa im gehobenen LEH, den Kunden abzuholen, der vielleicht bislang noch nicht so viele Berührungspunkte mit klassischen Cocktails hatte und der ansonsten womöglich zur x-ten Flasche Gin gegriffen hätte.

© Bottle Lab & Co.

Wir haben tatsächlich bereits Ende 2019 damit angefangen, aus unserer Bar heraus die ersten Bottled Cocktails zu vertreiben. Hintergrund war, dass wir bereits seit einiger Zeit bestimmte Drinks pre-batched serviert haben und immer öfter Gäste an uns herantraten, ob man diese Drinks denn nicht auch zum Mitnehmen bestellen könnte. Die Pandemie und die Schließung der Bar im ersten Lockdown haben dann aber natürlich als Katalysator gedient und wir hatten von jetzt auf gleich sehr viel Zeit, uns dem Projekt vollumfänglich zu widmen - was von unseren Stammgästen Gott sei Dank auch von Anfang an positiv aufgenommen und an Freunde und Bekannte kommuniziert worden ist. Mit der Zeit haben sich so auch tolle Möglichkeiten und Kooperationen ergeben und unsere Bottle Lab Produkte finden sich auch im LEH sowie Modeboutiquen und Concept Stores. Ferner entwickeln wir auch eigene Konzepte für Kunden aus der Hotellerie.“

Hier geh't zu Bottle Lab & Co.

„Cocktailando“ aus Berlin

Konstantin Hennrich betreibt in Berlin-Wilmersdorf die exquisite „Stairs Bar“. Auch für ihn bedeutete Pandemie und Lockdown einen notwendigen Startschuss für neue Konzepte:

„Als Corona aufkam und sich die geschäftliche Situation unserer Bar akut änderte, begannen wir, mit der Stairs Bar Bottled Cocktails anzubieten und verkauften Cocktails über unseren Online-Shop. Wir merkten, dass die Resonanz durchweg positiv war und dankbar von unseren Kunden angenommen wurde. Dies hat mich dazu inspiriert, mit meiner Geschäftspartnerin gemeinsam, das Unternehmen Cocktailando zu gründen. Nun kreieren und produzieren wir premixed Cocktails von 200ml über ein Liter Flaschen bis hin zu Kanisterware für Events und Catering. Derzeit bauen wir unsere Möglichkeiten des Vertriebes weiter aus. Für Privatkunden und auch B2B. Bereits jetzt beliefern wir auch Hotellerie und Gastronomie. Insgesamt blicken wir sehr gespannt und voller Vorfreude in die Zukunft.“

Hier geht's zu Cocktailando.

© Cocktailando