Wo Fuchs und Hase…einen Negroni trinken

© Charles Bar



Bars in der Provinz. Alles andere als provinziell

 

Fernab vom Großstadt-Trubel und den Barszenen der Metropolen, gibt es so einige Bars zu entdecken, die definitiv einen Ausflug wert sind. Peter Eichhorn hat sich für uns in Deutschland einmal genauer umgeschaut.

 

Die Barkultur in Deutschland ist großartig. Nur – sie ist nicht überall gleich. In den Metropolen finden wir abwechslungsreiche Konzepte, vielfältige Cocktails und Bars für jede Stimmung und für jeden Anspruch. Dive Bar, High Volume Bar, Themen-Bar, Mixologen-Tempel, es ist alles im Angebot. Auch die Hotel-Bars entwickelten sich in den vergangenen Jahren großartig weiter und bieten oft nicht nur eine langweilige Spritz-Longdrink-Lobby-Bar, sondern ein ausgefeiltes Bar-Konzept für anspruchsvolle einheimische Gäste und nehmen die Touristen on top. Themen-Bars betören mit Konzepten à la Tiki, Drei-Komponenten-Cocktail, No Waste oder glänzen mit technisch aufwendigen Verfahren, mit Ultraschall, Sous Vide und Rotationsverdampfer. So kennen wir die Barszene der großen Städte. Anspruchsvolle Bars, anspruchsvolle Drinks, anspruchsvolle Gäste.

 

Die Bar am Rande der Welt

Doch vergessen wir dabei nicht die Leistung jener Barbetreiber, die außerhalb der Metropolen auf selbst gewähltem einsamen Posten die Barkultur großartig repräsentieren. Hier gibt es keine umfangreichen Netzwerke unter Bartendern und auch die Repräsentanten der Industrie schauen nicht so oft vorbei. Für Produktpräsentationen und Masterclasses stehen die Großstädte mit ihrer Leuchtturm-Wirkung obenan. Völlig andere Rahmenbedingungen verlangen nicht nur Kreativität, sondern eine besondere Sorgfalt bei der Konzeption, um wirtschaftlich erfolgreich zu arbeiten. Wir möchten einige der Bars vorstellen, die diesen hohen Anspruch erfolgreich umsetzen wird und sprachen mit den Betreibern quer durch Deutschland.

„Charles Bar” aus Lutherstadt Wittenberg

Seit 2014 betreibt Martin Kramer die Charles Bar in der Lutherstadt Wittenberg. Das Städtchen in Sachsen-Anhalt zählt 45.000 Einwohner. Er strahlt viel Zuversicht aus, wenn er auf die Entwicklung seit Eröffnung der Bar 2014 zurückblickt. Seine Gedanken machen Mut auf Bar-Engagement auch in kleineren Orten: „Ich glaube, dass gerade die Startphase einer Bar, die ja mit vielen Unwägbarkeiten verbunden ist, in einer kleinen Stadt deutlich angenehmer zu bewältigen ist als in den Metropolen. Prinzipiell ist man in einer Kleinstadt recht schnell bekannt, sodass Marketing-Aktionen eher eine untergeordnete Rolle spielen. Seit Eröffnung der Bar haben wir keine 1000 € für Werbung ausgegeben. Auch hat man rasch die Möglichkeit, sich ein Stammpublikum aufzubauen. Es ist kein ständiges Kommen und Gehen. Und was für mich persönlich mittlerweile eine sehr große Rolle spielt, ist die Tatsache, dass hier bei uns auf dem ‚Dorf‘ der Tag auch mal ein Ende hat. Ab zwei Uhr nachts geht nicht mehr viel - in puncto Familienleben eine große Bereicherung.“

© Charles Bar

Die Kehrseite der Medaille

Doch verweist er auch auf die schwierigen Momente, die nicht vernachlässigt werden dürfen: „Allerdings muss man auch akzeptieren, dass die großen finanziellen Sprünge aufgrund des geringen Gästepotenzials natürlich nicht drin sind. Es langt am langen Ende, um das kleine Team zu bezahlen, sein eigenes Leben zu finanzieren und zuweilen bleibt noch ein bisschen extra hängen. Aber viel mehr ist es eben nicht. Klar, die Mieten sind geringer, aber dafür auch die Gästezahl. Die Flasche Gin kostet hier genauso viel, wie in München. Eher ist er hier sogar teurer, da die Industrie selten bis gar nicht vorbeischaut und etwa Rückvergütungen aufgrund unserer geringeren Abnahme keine Rolle spielen. Kalkulation ist somit schwierig. Was kann ich den Gästen zumuten? So ist es uns wichtig, vor Ort zugänglich für alle zu sein und nicht ausschließlich den elitären Kreis anzusprechen. Wir möchten jedermann den finanziellen Zugang zu hoffentlich guten Drinks zu gewähren.

Eine weitere Herausforderung ist die Personalsuche. Einen ambitionierten Bartender zu finden, ist eine Sache der Unmöglichkeit. Ich habe mit Alec, der seit einem Jahr im Team ist, einen Volltreffer gelandet, sodass ich mich viel mehr um den Service und die Gästebetreuung, aber auch um meine Familie kümmern kann. Ansonsten ist es natürlich ein schönes Gefühl, die Bar stetig wachsen zu sehen und viele Stammgäste seit nunmehr über acht Jahren regelmäßig in der Bar begrüßen zu dürfen. Wir haben mit knapp 50 unterschiedlichen Spirituosen begonnen und sind mittlerweile, nach acht Jahren, bei 400 unterschiedlichen Spirituosen, die regelmäßig im Einsatz sind. Wir haben nie das große Geld investiert und haben trotzdem mittlerweile eine Bar, die richtig hübsch ist und einen Bekanntheitsgrad über die städtischen Grenzen hinaus besitzt.

 

„Haus Zauberflöte“ aus Offenburg

Im Südwesten der Republik brachte Willi Schöllmann die 60.000-Einwohner-Stadt Offenburg auf die Bar-Landkarte. Nach „Schoellmanns Bar & Küche“ kam noch das „Haus Zauberflöte“ mit einem ausgefeilten Bar-Konzept hinzu. Schöllmann resümiert: „Ernst- und wahrgenommen zu werden, ist außerhalb der Metropole deutlich schwieriger. Die Gäste sind zuweilen weniger experimentierfreudig. Hier gilt es, konstant über einen langen Zeitraum Vertrauen aufzubauen, um seine eigene Kreativität zum Tragen zu bringen und ausleben zu können. Essenziell ist es, für interessante und gute Mitarbeiter den Arbeitsplatz langfristig attraktiv zu halten, um mit den Metropolen mithalten zu können. Nicht unbedingt nur monetär - eher in Bezug auf das Umfeld, die Wertschätzung und die Zusammengehörigkeit.“ Auch auf die positiven Effekte blickt Schöllmann gerne: „Eine Chance für Bars außerhalb der Metropolen ist meist ein gewisses Alleinstellungsmerkmal Wenn man lange genug durchhält und sich das Vertrauen in der Region aufgebaut hat, ist man meist erster Ansprechpartner. So kann es gelingen, ein hervorragendes Netzwerk aufzubauen, durch das sich eine Vielzahl von neuen Möglichkeiten, Abwechslung und Austausch ergibt. Großartig, wenn dies gelingt.“



© Ulrich Siefert

© Jigal Fichtner

„The Old Jacob“ in Bonn

In der Bundesstadt Bonn sorgte zuletzt Sembo Amirpour dafür, dass der Name des früheren Regierungssitzes nicht mehr als „Bundesstadt ohne nennenswertes Nachtleben“ gedeutet wird. Seine Bar „The Old Jacob“ zeigt den Bonnern endlich, dass die 1990-iger Jahre vorbei sind und Cocktail mehr bedeutet, als Flying Kangaroo und Cherry Lady. Er blickt zurück auf sechs bewegte Bar-Jahre: „Egal wo man als Vorreiter tätig sein möchte, muss man Mut und ein bisschen Verrücktheit mitbringen. Es erfordert aber auch Ausdauer und Kreativität, um spielerisch Leuten diese Art von Kultur näherzubringen. Es gilt, mit einem freundlichen Lächeln andere Leute glücklich zu machen. Dann ist es egal, ob in London, Paris oder eben Bonn. Wo wir vor 6 Jahren angefangen haben und wo wir jetzt stehen, sind zwei komplett unterschiedliche Welten. Es macht mich so stolz zu sehen, welche großartigen Barleute schon bei uns gearbeitet haben und es auch noch weiterhin tun. Bonn war durstig auf so eine Art von Bar und wir geben unser Bestes, jeden Tag kalte Drinks auszuschenken, in einer entspannten Atmosphäre.“

 

„Spirit of India“ aus Bad Salzuflen

Am Teutoburger Wald steht nicht nur das Hermanns-Denkmal, sondern auch das Hotel Lippischer Hof mit der „Spirit of India“ Bar von Christian Steffen. Der Kneipp-Kurort mit 55.000 Einwohnern bietet am Tresen weitere flüssige Wellness. Steffen blickt nach 20 Jahren Barerfahrung auch auf die aktuellen Entwicklungen: „Die größten Herausforderungen ergeben sich momentan durch fehlendes Personal und die stark gestiegenen Wareneinsätze sowie die drohenden Steigerungen der Energiekosten. Insbesondere die Personalknappheit zwingt uns zu neuen Handlungsweisen. Nach 20 Jahren haben wir sonntags erstmals einen Schließtag eingeführt und seit längerer Zeit verzichten wir auf Catering und nun lehnen wir auch Veranstaltungen ab, die wir nicht vernünftig kalkulieren können. Wir wollen zufriedene Mitarbeiter und so müssen wir neben guter Bezahlung für ausreichend Freizeit und Lebensqualität sorgen. Wir suchen mittlerweile international nach Personal, was für einen Standort wie Bad Salzuflen sicher nicht üblich ist. Im September wird somit ein neuer Bartender aus Indien bei uns anfangen. Die Kostensteigerungen durch den Krieg in der Ukraine versuchen wir durch sorgfältige Kalkulation nur minimal an unsere Gäste weiterzugeben. Immerhin können wir unsere Qualität halten und ehemalige Mitarbeiter finden den Weg zu uns zurück.“

 

„Das Schwarze Schaf“ in Bamberg

Im oberfränkischen Bamberg zählt Sven Goller zu den Pionieren der Barkultur der berühmten Bier-Stadt. Mit seiner Bar „Das Schwarze Schaf“ prägte er Bamberg maßgeblich und mittlerweile kann man dort getrost von der größten der kleinen Bar-Metropolen sprechen, denn weitere Bars helfen mit, den Cocktail-Anspruch der Bamberger voranzutreiben und infolgedessen das Angebot und die Vielfalt. Goller blickt auf eine spannende Dekade zurück: „Vor zehn Jahren gab es hier noch keine etablierte Bar-Landschaft. Damals mussten wir den Bambergern erst zeigen, dass ein Cocktail nicht im 0,5 Liter Gebinde serviert wird und dass der Drink auch ohne Säfte aus Konzentrat, dafür mit hochwertigen Produkten hergestellt werden kann. Geholfen hat uns sicherlich, die Menschen an die Hand zu nehmen, und bei einer Bestellung wie 'Sex on the Beach' zu sagen, dass wir diesen Drink aufgrund von Zutatenmangel leider nicht servieren können, dafür eine Alternative auf Vodka Basis, etwa mit frisch gepresstem Zitronensaft, hausgemachten Blaubeersirup und einer Prise Holunderblüte anbieten können.

© Das Schwarze Schaf

Welches Bar-Konzept empfiehlt sich in der Kleinstadt?

„Nach 10 Jahren ‚Schaf‘ sind in dieser Stadt dann natürlich auch Konzeptbars möglich. So gibt es seit mehreren Jahren zum Glück auch in Bamberg mit dem ‘Kawenzmann’ eine Tiki Bar. Ich würde allerdings jedem raten, in einer kleineren Stadt ohne Cocktailbarlandschaft zunächst ein offenes Konzept zu eröffnen, was viele Menschen abholt, allerdings auch den eigenen Qualitätsanspruch aufzeigt. Gleichzeitig ist man in der kleinen Stadt oft vielleicht etwas den Trends hinterher, aber auch nicht so von ihnen und einem internationalen Bar-Tourismus abhängig”, so Sven Goller. „Bei guter Arbeit erlebt man dafür einen sehr hohen Anteil an Stammgästen, ein Umstand, den wir vorrangig in Zeiten von Corona bemerkt haben. Wir haben ein unglaublich loyales Publikum und sind gestärkt aus den winterlichen Schließmonaten gekommen. Die größte Schwierigkeit ist sicherlich, gute Barmenschen zu finden und dann auch halten zu können. Gerade als Bartender kann ich natürlich den Lockruf in die große Stadt oder ins Ausland verstehen. Wir versuchen dagegen zu halten und mit der Lebensqualität von Bamberg und einem hervorragenden Arbeitsumfeld die Menschen bei uns zu halten.“

 

Gestartet als Studenten-Bar…

Mit dem Erfolg darf man mutiger und konsequenter agieren, wie Goller erläutert: „Wir haben als Studi-Bar angefangen, haben am Anfang viel von sehr jungen Leuten, Bier und Longdrinks gelebt. Mittlerweile bestehen 90 Prozent der Getränkebestellungen aus Mixed-Drinks. Wir haben sogar in der Bierhauptstadt Bamberg unser Fassbier abgeschafft und verkaufen nur noch kleine Biere in 0,33-Liter-Flaschen. In Bamberg eigentlich ein Frevel!

Unsere Gäste sind mit uns gealtert und gewachsen und wir haben aktuell ein wunderbar gemischtes Publikum, dass von der Studentin, über Gastrokollegen, Bambergern bis zu Touristen reicht. Einen großen Schub haben immer Awards und gewonnene Wettbewerbe ausgemacht. Meinem Team und mir hat der Austausch auf Competitions immer geholfen und als Bar hat man das natürlich sehr stark seit 2017 gemerkt (Sven Goller gewinnt die World Class Germany Competition, Anm. d. Red.). Der Umsatz ging immer mehr in Richtung Cocktails und auch der Einzugsbereich wuchs. Immer mehr Menschen kamen auch vermehrt aus der näheren Umgebung aus Nürnberg, Erlangen, Bayreuth oder Würzburg gezielt zu uns in die Bar. Bamberg als Bier- & Brot-Stadt war schon immer Genussregion. Mittlerweile ist es kulinarisch jetzt um gute Drinks auf Eiswürfeln reicher.“

 

Ein Prosit auf die Provinz!

Chancen und Herausforderungen. Großartig, dass es engagierte Bartender gibt, die sich auch außerhalb der Metropolregionen darauf einlassen und beweisen: Es funktioniert. Es gibt noch mehr von solchen Pionieren und es lohnt, sie zu entdecken und zu unterstützen. Selbstverständlich als Gast, aber auch als Spirituosen-Unternehmen, dass noch ein Herz für On-Trade Umsätze hat.

 

Charles Bar

06886 Lutherstadt Wittenberg

www.charlesbar.de

 

Schoellmanns Bar & Küche

77652 Offenburg

www.schoellmanns.de

 

Haus Zauberflöte

77652 Offenburg

www.haus-zauberfloete.de

 

The Old Jacob

53111 Bonn

http://theoldjacob.com/

 

Spirit of India

32105 Bad Salzuflen

www.hotel-lippischer-hof.de/en/gastronomy/spirit-of-india/

 

Das Schwarze Schaf

96049 Bamberg

www.dasschwarzeschafbamberg.de