• 14.-16. Oktober 2024
  • Messegelände Berlin

Die Bar im Bistro- und Gourmet-Restaurant: Victor & Victoria, Berlin 

 © Victor & Victoria

Am Berliner Gendarmenmarkt tut sich (bar-)gastronomisch einiges. Da sorgt das „Bellboy“ (wir berichteten) seit Ende 2021 für flüssiges Entertainment, seit 2022 schickt das Restaurant „Heritage“ im neuen Hotel „Luc“ Drinks von der Bar und nun ist mit dem „Victor & Victoria“, einem Mix aus Tagesbistro und Fine-Dining-Restaurant, ein weiterer Player hinzu gekommen.

Vorne der deutsche Dom, dahinter der Berliner Fernsehturm – diesen schönen Blick bietet das neue „Victor & Victoria“ direkt am Gendarmenmarkt. Und hier hat man sich gastronomisches einiges vorgenommen: Schon im Herbst als Tagesbistro mit Café im Erdgeschoss eröffnet, nahmen nun kürzlich auch die Bar (ebenfalls im Erdgeschoss) sowie das Gourmetrestaurant im Obergeschoss den Betrieb auf. Man kann hier theoretisch den ganzen Tag verbringen, denn geöffnet ist schon ab acht Uhr morgens und am Wochenende bis mindestens zwei Uhr nachts.

Vom Milchkaffee bis zum Gourmet-Menü

Unten gibt es vom morgendlichen Croque über den Business-Lunch bis zum „Bistronomy Menu“ am Abend mit Trüffelpasta und Steak Frites ein unkompliziertes Foodangebot. Oben greift man – in Person von Küchenchef Stephan Krogmann, der schon bei Größen wie Jan Hartwig, Thomas Bühner, Heinz Winkler und Klaus Erfort kochte – ganz offensichtlich nach den Sternen. Von der Amuse-Bouche über den in Aromaten gebratenen Brandenburger Rehrücken mit Kampott-Pfeffer, Knollensellerie, Piemonteser Haselnuss und Sauce Rouennaise bis zum Signature-Dessert – Moro-Blutorange aus Sizilien mit karamellisierter Rahm, Sucrine, Roggen und Süßholzsirup, aufwändig geschichtet wie ein Kostüm Queen Elizabeths der Ersten – ist alles optischer wie kulinarisch komplex und hochpräzise.

Die Bar als Bindeglied

Ein Bindeglied zwischen „casual“ unten und „fine“ oben bildet die Bar. Geleitet wird sie von Ferhat Akbiyik, der schon viele Berliner Gastro-Konzepte vom Edel-Fleischrestaurant „Grill Royal“ über das High-Society-Hochhaus „Soho House“ und die Burlesque-Bar „Prinzipal“ bis zuletzt zum Klassiker „Reingold“ mitgeprägt hat. Rund zwanzig Jahre ist der aus Istanbul stammende gelernte Hotelfachmann nun schon in der Gastrowelt um den „Telespargel“ unterwegs. Im Coronajahr machte er einen Abstecher in ein bayerisches Golfhotel und konzipierte für dieses das Barkonzept neu, nur um bald darauf wieder in die Hauptstadt zurück zu kehren. Nach einer Gastschicht zum Start der Bar im „Victor & Victoria“ bot er an, hier mitzumischen. Das vielseitige Konzept vom Straßenbistro bis zur avisierten Sterneküche reize ihn, erklärt er uns. Und das Prinzip Gastronomie von früh bis spät habe er aus dem „Soho House“ in guter Erinnerung – wenngleich er ein absoluter Nachtmensch sei. 

© Victor & Victoria

Vielseitige Drinks

Natürlich will ein so ausgedehntes Konzept auch getränketechnisch entsprechend dargestellt werden. Aktuell arbeitet der Barchef etwa an der Aperitifkarte für die bald startende Außenbereich-Saison. Daydrinking-Geschäft will sich kaum ein Konzept vis-à-vis des wunderschönen historischen Platzes entgehen lassen. Da Akbiyik oder seine Vertretung tagsüber nicht immer selbst anwesend sein können und erst am Nachmittag dazu stoßen, komme es darauf an, die Drinks so zu gestalten, dass sie auch vom Caféteam nach Rezeptur und Vorgaben des Barchefs gemixt werden können. Fürs abendliche Bargeschäft wiederum greift Akbiyik unter anderem auf seine ihn schon seit vielen Jahren und Stationen begleitenden Eigenkreationen bzw. Adaptionen zurück. Auf der Karte steht zum Beispiel der „Hot Passion Fizz“ mit Wodka, Vanille, Maracuja-Püree, Zitronensaft und pikanter, aber nicht überbetonter Chili-Essenz, den wir als Aperitif vor dem Menü genießen. Oder der „Botanical Woman“ mit Gin, Basilikum, Ingwer, Limettensaft und Limettencordial, ein weiterer seiner „Signatures“.


Telefonate zwischen den Etagen

In Abstimmung mit Sommelier Andrea Agosta, der mit dem „Pauly Saal“, Pauly Saal, dem „Michelberger Restaurant“ und dem „Cookies Cream“ ebenfalls namhafte Stationen in der Stadt vorzuweisen hat, steht der Barchef in Abstimmung, wenn Gäste im Obergeschoss, also im Gourmetrestaurant, eine Alternative zum Wein als Begleitung wünschen. Wie das denn wohl in praxi funktioniere, fragt man sich und fragen wir ihn, wo der Barmann doch unten und der Sommelier oben am Werke sei. Man telefoniere, ganz einfach, lautet die Antwort. Und so könne man unten Drinks zeitnah vorbereiten, wenn der nächste Gang an den Tisch kommen soll. Praktischerweise gibt es auch einen kleinen Aufzug – ping, die Drinks sind da. Und wenn es die Zeit zulässt, bringt die Bar sie gerne auch mal persönlich die Treppe hinauf in das mit Samt und Kronleuchtern ausgestattete zweite Geschoss. Auch alkoholfreie Drinks – zum Beispiel Gimlet- oder Negroni-Adaptionen – oder Low-ABV-Varianten werden gerne „von oben“ geordert. „Nach dem Essen kommen viele Gäste auch einen Cocktail zum Abschluss zu uns herunter“, berichtet Akbiyik. So auch wir, auf einen kraftvollen „Smoky Date“ mit Islay Whisky, Dattelsirup, Zimt, Zitronensaft, Pink Grapefruit und Chocolate Bitters. Zweimal im Monat stehen die Getränke bei speziellen Tastings von Champagner bis zu Spirituosen- und Cocktail-Flights ganz besonders im Fokus.

Bar im Restaurant: Kommunikation gefragt

Die konzeptuelle Trennung von Restaurant und Bar, die hierzulande lange währte, anders als beispielsweise in den USA oder Großbritannien, kommt sie langsam an ihr Ende? Früher sei in Deutschland immer Abstand von der Bar im Restaurant gehalten worden, berichtet Akbiyik, der nicht zuletzt aus der türkischen Ess- und Trinkkultur ein ganz anderes Miteinander kennt. Für die deutschen Gäste hatte eine Bar im Restaurant oft etwas von einem Wartebereich, so seine Beobachtung. Nun wachse die Bereitschaft, sich auf die Bar einzulassen, sich (mit oder ohne Speisen) niederzulassen und sie als Teil des Gesamten zu erleben. Das hat für den Bar-Routinier weniger etwas mit den Drinks zu tun. Zweifelsohne müssen sie gut sein, das steht außer Frage, vielmehr indes komme es auf gute Kommunikation an: Nicht schüchtern die Barkarte überreichen, sondern die Gäste einbinden. Dialoge mit ihnen führen. 

© Victor & Victoria

Sie sich gegenseitig vorstellen, Kontakte aufbauen, um neue Gespräche einzuleiten – sofern gewünscht natürlich. Befindlichkeit und Offenheit erkennen und entsprechend agieren zu können, stellt für ihn eine wichtige Qualität dar.

 

Working Flair

War da noch was? Ach ja: Flair-Bartending! Damit hat sich Akbiyik schon im „TGIF“ in Istanbul einen Namen gemacht und sammelte diverse Auszeichnungen auf Meisterschaften und Competitions. Und heute? Die ganz große Jonglier-Show ziehe er nicht mehr ab, berichtet er. Wäre wohl auch zu viel des Guten an diesem Ort. Doch etwas „working flair“ hingegen baue er durchaus ins Mixing ein. Schon fliegt ein Eiswürfel gekonnt in den Shaker. Das wird den Gästen, auch wenn sie primär wegen eines edlen Gourmetmenüs kommen mögen, doch sicher gefallen. 

Victor & Victoria Berlin
Charlottenstraße 59
10117 Berlin
https://victorvictoriaberlin.com