Born in the USA: Alles neu bei Whiskey & Rye?
© Shutterstock
Endlich dürfen wir uns daran gewöhnen: Aus den USA kommt eine bemerkenswerte neue Whiskey-Vielfalt. Und sie wächst täglich und köstlich.
Waren die vergangenen Jahre geprägt von einer zunehmenden Rye-Whiskey-Auswahl und der Erkenntnis, wie spannend sich so mancher Cocktail wandelt, wenn man die Basis-Spirituose durch Rye ersetzt. Erfahrene Bar-Profis werden sich erinnern. Es folgten neue Marken und neue Produkte, deren Qualität aufhorchen ließ. Als seinerzeit erste Bars den Elijah Craig 12 Jahre im Pouring verwendeten, ging so manche Augenbraue in die Höhe. In Frankfurt wurde der „Bookeroni“ gemixt, also der Boulevardier mit dem hochprozentigen Booker’s Whiskey. Dann tauchten in München, im Dunstkreis eines berühmten Lampenladens, die ersten Flaschen Michter’s auf. Kurzum: der Barbetrieb gewann völlig neue genussvolle Möglichkeiten und auch für Whisk(e)y-Puristen gab es ein neues Aromenspektrum zu entdecken.
Power plus Tradition
Heute sind wir noch einige Schritte weiter. Jim Beam begeistert mit seinem Small Batch Portfolio, Jack Daniel’s brachte jüngst einen Single Malt heraus. Und Woodford überzeugt beständig mit der Vielfalt der Fassaromen und wir lernen über diverse Toasting und Charring Stufen bei der Behandlung der Fässer und wie diese Vorgänge die Aromen prägen. Apropos Fass: Die Bedeutung von Fassreifung bei Whisky und Whiskey wächst stetig an. Begriffe wie „Finishing“ oder „Second Maturation“ sind nun auch in den USA keine Seltenheit mehr. Whiskey, mit Vermouth, Wein oder Amburana Finish faszinieren die Gaumen der Amerikaner und erste Erzeugnisse, wie Angel’s Envy mit seinem eleganten Portwein-Finish, schafften es bereits über den großen Teich.
Experten mutmaßen immer häufiger, dass sich die strengen Fass-Regularien der USA demnächst verändern werden. Noch sind sie eindeutig und streng: Bourbon und Rye Whisky muss in neuen, ausgebrannten Fässern reifen. Nach dieser einmaligen Belegung freut sich die Getränkewelt auf die guten Fässer aus amerikanischer Weißeiche, die danach in weltweite Destillerien und andere Manufakturen in alle Welt weiterwandern. Doch in den USA regt sich dezenter Widerstand gegen jene 90 Jahre alten Regeln, die aus der „New Deal“-Ära stammen, die von Prohibition und Weltwirtschaftskrise bestimmt wurde. Auch in Nordamerika wächst die Anzahl neuer, frischer Brennerei-Projekte, die gerne mehr Vielfalt und Fantasie in ihre Bourbons und Ryes einfließen lassen würden.
Provokation und Innovation
Eine Kuriosität stammt aus der altehrwürdigen Cascade Hollow Destillerie in Tennessee, bekannt für die Marke George Dickel. Hier tat man sich zusammen mit dem größten Abnehmer gebrauchter Whiskey-Fässer in Nordamerika, dem Soßen-Hersteller Tabasco. Für den „George Dickel Tabasco Barrel Finish“ nehmen die Whiskey-Macher aus Tennessee diese Fässer wiederum zurück und befüllen sie für 30 Tage erneut mit Whiskey (oder im Falle von George Dickel gilt die für USA ungewohnte Schreibweise: Whisky). Danach bringen sie den Alkoholgehalt auf niedrige 35 %, um eher als Likör eingeordnet zu werden und sich nicht mit den strengen und puristischen Whisky-Sheriffs anzulegen.
Andere Marken gehen einen provokativen Schritt weiter. FEW Spirits, die seit 2011 von Chicago aus frischen Wind in die Spirituosenlandschaft der USA brachten, macht es vor. Da gibt es unter anderem den „Cold Cut Bourbon Whiskey“. Ein Bourbon, der anstelle mit Wasser, mit Cold Brew Coffee auf eine Trinkstärke von 93 Proof (also 46,5 %) Alkohol gebracht wird. Oder der „Immortal Rye“, bei dem das gleiche Verfahren angewendet wird. Nur dass hier, anstelle von klarem Quellwasser, kalt extrahierter Oolong Tee Verwendung findet. Wir sehen, auch die Whiskey-Szene der USA vermählt ihr streng reguliertes Traditionsprodukt zunehmend mit neuen Aromen.
Da steckt Musik drin
Ein Pionier der jungen Craft-Distiller-Szene ist die Marke Koval aus Chicago. Robert Birnecker begann schon früh damit, Whiskey auf der Grundlage verschiedenster Getreidevarianten zu brennen, so beispielsweise mit Hafer oder Hirse. Und die Marke Balcones hob den Corn Whiskey aus dem Schatten der Bedeutungslosigkeit und zeigt mit ihrem „Baby Blue“, was mit dieser Stilistik möglich ist. Hinzu kamen Single Malts und die Meldung, dass der Diageo-Konzern derart Gefallen an der Marke fand, dass sie nun zu dessen Markenfamilie zählt.
Am Ende läuft doch aber vieles stets auf die Kollaboration zwischen Whiskey und Musik hinaus. Frei nach dem Song ‚American Pie‘ erschallt es: "Them good old boys were drinking Whiskey and Rye“. Heut muss es beinahe lauten: were MAKING Whiskey and Rye. So begeistert Bob Dylan mit seiner “Heaven’s Door” Marke. Die Eröffnung der eigenen Brennerei ist für dieses Jahr angekündigt. Die Band Metallica vermarktet den „Blackened Whiskey“, der in stark ausgebrannten Brandyfässern reift und dabei mit Metallica-Musik beschallt wird. Alice in Chains fertigt gemeinsam mit der FEW Distillery einen Whiskey, der in Tequila Fässern nachreifte und mit dem Rapper Drake verlässt ein Vertreter dieser Musikgattung deren angestammte Spirituose Cognac und vergnügt uns mit seinem Virginia Black Whiskey.
Demnach gilt: Whiskey aus den USA bereitet zunehmend Freude.Vom Gaumen bis zu den Ohren!