Drink for Thought: 5 neue Bücher rund um Cocktail- und Barkultur

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Von Basic-Cocktails über eine Bar-Bucketlist bis zur medizinischen Getränkegeschichte: Jan-Peter Wulf stellt 5 neue Bücher für Branchenprofis, Einsteiger und Connaisseure vor.

 

1. „Cocktailkunst – Die Zukunft der Bar“ von Stephan Hinz

Barbetreiber, Getränkehersteller, Consultant, Buchautor und mehr: Stephan Hinz vom „Little Link“ aus Köln hat sein 2014 erschienenes, umfangreiches Barbuch nun in überarbeiteter Form neu herausgebracht. Das über 350 Seiten dicke Werk ist ein wahrer Rundumschlag: Es führt in die Geschichte der Cocktail- und Barkultur ein, stellt verschiedene Spirituosenarten und deren Herstellungsweise vor, dazu „Bar-Weine“ von Schaumwein bis Sake. Es erklärt, wie unsere sinnliche Wahrnehmung funktioniert und wie – Hinz nennt es, der Musik entlehnt, Harmonielehre – Balance im Glas entsteht. Hinzu kommen 400 alphabetisch sortierte Rezepte, wobei der Autor betont, sich auch bei Klassikern nicht unbedingt immer an das Originalrezept zu halten, findet er doch, dass „jedes Rezept nur eine Grundlage, eine Basis zur Improvisation und spontaner Variation darstellt.“ Wer tief einsteigen will in die Welt der Mixologie, findet im Kapitel „Die Zukunft der Bar“ zahlreiche Tipps und Anleitungen fürs Extrahieren, Filtern, Schönen, Klären, Trocknen, Emulgieren, Karbonisieren und so weiter. In diesem Abschnitt widmet sich Hinz überdies dem Thema Nachhaltigkeit an der Bar und zeigt auf, wie sich – Stichwort Energiesparen – der Strom- und Wasserverbrauch reduzieren lassen, wie man saisonal-regional einkauft, Verpackungsmüll reduziert und welche Alternativen zu Zitrusfrüchten es gibt.

Fazit: Ein Standardwerk auf Höhe der Zeit.

360 Seiten, 49,90 Euro, erschienen 2022 im Matthaes Verlag

 

2. „The Cocktail Cabinet: The Art, Science and Pleasure of Mixing the Perfect Drink“ von Zoe Burgess

Die Britin Zoe Burgess taucht mit „The Cocktail Cabinet“ ein in die Welt des Geschmacks und der Aromen: Wie entstehen Harmonie, Balance, Genuss? Welche Strukturen liegen hinter den Rezepturen, die für Perfektion im Glas sorgen? Dabei geht die Autorin, die Cocktailmenüs für Unternehmen wie Pernod Ricard ebenso wie für den Starkoch Heston Blumenthal kreiert hat und mit ihrem „Atelier Pip“ Gastronomien in flüssigen Fragen berät, keineswegs starr vor. Ähnlich wie Stephan Hinz zeigt auch sie auf, wie sich Geschmacksprofile von Drinks mit kleinen Nuancen effektvoll verschieben lassen – was zu ganz neuen Erlebnissen führen kann, wie sie notiert: „This is how modern-day cocktails are created; we identify the gaps in the classics and use personal preferences and a change in the ingredients or technique to push the structure of a cocktail into something exciting and new to experience.“ Spannend: Burgess stellt nicht nur unsere fünf unterschiedlichen Geschmacksrichtungen vor (süß, sauer, salzig, bitter, umami), sondern liefert auch kleine „taste tests“ mit – zum Beispiel das Hinzufügen von Salzlösung zum Grapefruitsaft, um die Bitterkeit zu reduzieren. Wer sich durch den dichten theoretischen Teil durchgearbeitet hat, darf sich im Anschluss mit Burgess’ Rezepten austoben. Die Cocktails hat sie interessanter Weise nach Champagner, gerührt, bitter und sauer gruppiert, im Index am Ende des Buches aber auch nach der Basis-Spirituose aufgelistet. Optisches Highlight sind die Farbverläufe der Liquids in den filigranen Illustrationen der Drinks.

Fazit: Ein auf das sensorische Erlebnis ausgerichtetes, viele Impulse lieferndes Buch.

240 Seiten, 24,50 Euro, erschienen 2022 bei Octopus Publishing

 

3. „The Five-Bottle Bar: A Simple Guide To Stylish Cocktails“ von Jessica Schacht

Eine Bar mit nur fünf Flaschen? Zweifellos hat die Kanadierin Jessica Schacht, Mitgründerin der handwerkliche Spirituosen herstellenden „Ampersand Distilling Company“ primär die kleine Bar zu Hause vor Augen. Doch ihr Buch ist durchaus auch für den Profibereich relevant: Nicht jede Location hat bekanntlich Platz für Hunderte von Flaschen, so manches Konzept setzt bewusst auf eine schmale Karte und Restaurants, die ihren Gästen auch ohne große Bar eine kleine, feine Auswahl an Drinks rund ums Dinner offerieren wollen, können sich von diesem Buch ebenso inspirieren lassen. „It’s my pleasure to welcome you to the Five-Bottle Bar cocktail club, where the only rule is: A simple drink can still be a stylish drink“, schreibt die Autorin charmant in der Einleitung. Und woraus besteht ihr Quintett? Flasche eins: Gin. Flasche zwei: Whisk(e)y. Flasche drei: trockener Wermut. Flasche vier: süßer Wermut. Flasche fünf: Campari. Man sieht: Die Fünf-Flaschen-Bar hat eine klare und klassische Ausrichtung. Umso erstaunlicher ist es, wie viel sich damit mixen lässt. Mint Julep, Old Fashioned, Bee’s Knees, diverse Sours, aber auch heiße Toddys oder modernere Drinks wie der Bramble (in diesem Fall mit frischen Brombeeren) ein Espresso Martini (in diesem Fall mit Gin) lassen sich mit den wenigen Grundprodukten kreieren. Weniger ist … schon klar.

Fazit: Ein Buch für kleine Bar-Konzepte und für alle, die das Prinzip der künstlichen Verknappung als Konzept reizt.

208 Seiten, ca. 23,50 Euro, erschienen 2022 bei Touchwood Editions

4. „150 Bars You Need to Visit Before You Die“ von Jurgen Lijcops

Mehr Bucketlist kann man ja kaum in einen Buchtitel packen. Aber wie das so ist mit jeder solcher Listen: Sie sind immer subjektiv und als Vorschläge zu interpretieren. Jurgen Lijcops, der eigentlich Sommelier ist und somit prädestiniert für eine Auflistung von Must-see-Weinbars wäre (vielleicht kommt da ja noch mal ein separates Buch), widmet sich hier seiner zweiten Passion, der Spirituose. Seit 2016 betreibt er in Antwerpen selbst eine Bar, die „Bar Burbure“. Im Rahmen seines Jobs kommt Lijcops offensichtlich in den Genuss, viel zu reisen, viel zu sehen und viele Bars zu besuchen – 150 Locations stellt er in seinem Buch vor, das 2018 zum ersten Mal erschien (2019 auf Deutsch) und das er nun überarbeitet präsentiert: 50 Bars wurden gegen neue ausgetauscht (einige Objekte eröffneten erst, andere schlossen zwischenzeitlich, zumal es zwischenzeitlich eine Pandemie gab). Das Spektrum reicht vom New Yorker „Dead Rabbit“ über das „Super Lyan“ in Amsterdam bis zum „The Everleigh“ in Melbourne. Besonders viele Bars empfiehlt der Autor in London, Singapur und, das überrascht nicht, seinem Heimatland Belgien. Auch einige Locations abseits der Metropolen, etwa die Rock Bar in Jimbaran auf Bali/Indonesien oder den „Stollen 1930“ in Kufstein, tauchen auf. Es gibt aber auch weiße Flecken. Keine einzige Bar in Berlin? Nix in Wien? Wie gesagt: Es ist eine subjektive Liste und niemand, auch nicht der vielreisende Autor, kann überall gewesen sein. Aber vielleicht schafft er es ja mal zum BCB und schaut sich unsere lokalen Bar-Tipps an. :-) 

Fazit: Nicht nur für den nächsten Trip. Das Buch eignet sich auch zur Inspiration und Gedankenreise, allein wegen der Interieur-Fotografien. 

256 Seiten, 29,99 Euro, erschienen 2022 bei Lannoo

 

5. „Doctors and Distillers: The Remarcable Medicinal History of Beer, Wine, Spirits, and Cocktails“ von Camper English


Camper English, einer der profiliertesten Autoren im Cocktail- und Spirituosenbereich, Eis-Nerd und bekennender Baywatch-Fan, widmet sich in seinem neuen Buch der Geschichte alkoholischer Getränke mit Bezug auf ihren medizinischen Ursprung, sowie ihre in der Vergangenheit oft sogar medizinische Verwendung. Nein, Drinks sind kein Heilmittel, stellt er im Buch immer wieder heraus, aber: Die Engführung, die English vornimmt, ist überaus plausibel. Schon die Ägypter nutzten ihre fermentierten Proto-Biere aus Getreide, um Krokodilbisse zu lindern – oder gegen Schweißfüße. Auch die alten Griechen schätzten den scheinbaren gesundheitlichen Effekt ihrer Weine. Über die asiatischen Alchemisten und die europäischen Mönche über Paracelsus (ein interessanter Charakter!) und Pasteur bis in die Gegenwart hinein spannt English seinen Bogen. Unterwegs lernt man unter anderen, dass die Kartäuser-Mönche, Erfinder und bis heute Produzenten von Chartreuse, auch Zahnpasta herstellten, dass während der Pest in Italien alkoholische Getränke durch Fenster verkauft wurden wie im Lockdown Aperol Spritz, dass der Likör Bénédictine in China auch heute noch zur Gesundung eingenommen wird und der berüchtigte Buckfast, den schottische Kids zum Kult erhoben, zunächst wie Medizin und lange Zeit in Apotheken (die auch sonntags geöffnet sind) verkauft wurde. Ein kurzweiliger, von Anekdoten gespickter Mix aus Cocktail-, Medizin- und Wissenschaftsgeschichte mit Ausflügen in die Botanik, en-passant-Vermittlung profunder Warenkunde und Nerdwissen über längst wieder verschwundene Wellness-Getränke. 

Fazit: Eine unterhaltsame Lektüre für alle Akteure vor und hinter dem Tresen. Und – Tipp für die Mise en place oder das Pendeln – es ist auch als Hörbuch verfügbar.

368 Seiten, 18 USD, erschienen 2022 bei Penguin Random House

Bar ohne Namen

Entschlossen verweigert sich Savage, der Bar einen Namen zu geben. Stattdessen sind drei klassische Design-Symbole das Logo der Trinkstätte in Dalston: ein gelbes Quadrat, ein rotes Viereck, ein blauer Kreis. Am meisten wurmt den sympathischen Franzosen dabei, dass es kein Gelbes-Dreieck-Emoji gibt. Das erschwert auf komische Weise die Kommunikation. Der Instagram Account lautet: a_bar_with_shapes-for_a_name und anderenorts tauchen die Begriffe ‘Savage Bar’ oder eben ‚Bauhaus Bar‘ auf.

 

Für den BCB bringt Savage nun sein Barkonzept mit und mixt für uns mit Unterstützung von Russian Standard Vodka an der perfekten Bar dazu.