Subjective objectivity: Wie erkennt man Qualitäts-Unterschiede bei Spirituosen?

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Bar ohne Namen

Entschlossen verweigert sich Savage, der Bar einen Namen zu geben. Stattdessen sind drei klassische Design-Symbole das Logo der Trinkstätte in Dalston: ein gelbes Quadrat, ein rotes Viereck, ein blauer Kreis. Am meisten wurmt den sympathischen Franzosen dabei, dass es kein Gelbes-Dreieck-Emoji gibt. Das erschwert auf komische Weise die Kommunikation. Der Instagram Account lautet: a_bar_with_shapes-for_a_name und anderenorts tauchen die Begriffe ‘Savage Bar’ oder eben ‚Bauhaus Bar‘ auf.

 

Für den BCB bringt Savage nun sein Barkonzept mit und mixt für uns mit Unterstützung von Russian Standard Vodka an der perfekten Bar dazu.

 

 

 

 

Was unterscheidet eine gute Spirituose von einer exzellenten? Nach welchen Kriterien lässt sich Qualität bewerten? Und wie lässt man dabei persönliche Vorlieben und Vorurteile außen vor? Darum ging es im BCB-Tasting-Workshop „Subjective objectivity“. Die Spirituosen-Expertin und Programmleiterin der „Toronto Cocktail Week“, Christina Veira, und Rob McCaughey, Senior Business Development Manager, Spirits and Sake Americas von WSET (weltweiter Anbieter von Schulungen für Wein und Spirituosen) trafen sich zur Online-Verkostung.

Christina Veira und Rob McCaughey hatten sich dafür eine Spirituose ausgesucht, die auf dem amerikanischen Kontinent eine große Popularität genießt, in Mitteleuropa hingegen oft noch eine Nebenrolle spielt: Tequila. Drei weiße, also nicht fassgelagerte Tequilas waren für die Tasting-Session selektiert worden: Sauza Silver, Patrón Silver und Fortaleza Silver. Den fassgelagerten Añejo von Fortaleza nahmen sie zum Flight hinzu, um auch über Unterschiede und Veränderungen der Produkteigenschaften sprechen zu können, die sich durch den Lagerungsprozess ergeben.

Tequila 1: Ein Mixto ist eben nur ein (etwas mehr als) halber Tequila

Beim Sauza Silver handelt es sich um einen so genannten Mixto-Tequila. Die meisten werden es wissen: Ein Mixto muss nur zu 51% aus der blauen Agave hergestellt sein. Was im Umkehrschluss bedeutet, dass er fast bis zur Hälfte aus einem anderen Rohstoff bestehen darf – Mais oder Zuckerrohr zum Beispiel. Dieses Fremd-Rohmaterial wird immer die geschmackliche Eigenschaft mitprägen, so Christina Veira. „Es verwässert den Charakter“, wurde Rob McCaughey noch deutlicher. Im Falle des vorliegenden Mixtos, so analysierten die beiden Spirituosen-Experten, zum Beispiel dahingehend, dass der beigefügte Neutralalkohol das Produkt betont „sprittig“ schmecken lässt und das Ethanol nicht gut eingebunden ist. Was ja nahe liegt, weil es dem Kernprodukt beigefügt wird. Der Geschmack der Agave dringe zwar durch, so die Bewertung, er bleibe aber relativ verhalten und der Gesamteindruck generisch mit kurzem Abgang. Kurz: ein typischer Shot-Tequila oder auch ein Produkt für Clubs, wo es nicht unbedingt um feinste Aroma-Facetten geht.

Tequila 2: Vorhang auf!

Ein komplexeres Geruchs- und Geschmacksbild weist der Patron Silver auf, ein Tequila, der zu 100 % aus Agave hergestellt wird. Nase und Mund der beiden Experten vernehmen schwarze Oliven, Koriander, Pfeffer, generell eine Menge „Krautigkeit“ („herbaceousness“). Der Alkohol ist wesentlich harmonischer eingebunden, er fungiert als ein Fundament für die weiteren Eigenschaften, nicht als Fremdkörper, so die Feststellung. Als vollmundiger, runder, klarer in der Nase und im Mund beschreiben die beiden Produkt Nummer zwei im Verhältnis zum ersten. „Es ist, als habe jemand die Vorhänge aufgezogen“, so Rob McCaughey.

Doch wie zieht man die Vorhänge auf oder wie merkt man, dass sie noch zugezogen sind? Christina Veiras Tipp: Bereits beim Nosing sollte man für sich möglichst viele Noten festhalten, auch wenn sie noch diffus erscheinen mögen und man sie noch nicht genau bestimmen oder auseinanderhalten kann. Beim Tasting lassen sie sich dann präzisieren. „Niemand wird als großartiger Taster geboren“, fügt Rob McCaughey hinzu. Man müsse viel trainieren, Tastingreihen wiederholen und sich allgemein mit viel Aufmerksamkeit den Produkten widmen – sowohl beim Verkosten als auch in der Information darüber, wie ein Produkt eigentlich hergestellt wird. Wieviel Blätter zum Beispiel am Herz der Agaven gelassen werden, wenn sie gekocht werden, wirke sich markant auf die Intensität der Kräuternoten des Tequilas aus, so Christina Veira. Viele weitere Faktoren der Auf- und Zubereitung kommen zum Tragen: Wie wird die Agave zerkleinert – mit einer Walze oder mit dem traditionellen Tahona-Mahlstein? Verwendet der Hersteller zum Kochen einen modernen Diffuser oder einen Stein- oder Ziegelofen wie in guten alten Zeiten? Verläuft der Prozess schnell und effizient oder „low and slow“? Wie wird destilliert – klassisch in pot stills oder mit (industriell effektiveren) continuous stills? Christina Veira erklärt es plakativ: Ein Stück Fleisch schmecke auch unterschiedlich, je nachdem, ob man es kurz anbrät oder schmoren lässt.

Tequila 3: Fenster weit geöffnet

Um im Bild zu bleiben: Tequila Nummer drei, Fortaleza Silver, ist demzufolge das Slowfood-Filetstück unter den drei verkosteten Produkten, denn es der am handwerklichsten und traditionellsten hergestellte Tequila des Flights. Die Agaven werden mit im Tahona-Verfahren zerkleinert, sie kochen im Steinofen, destilliert wird zweifach in Kupferkesseln. Ergebnis ist ein Tequila der Spitzenklasse mit vielen Aromen: Fenchel, Dill, Minze und viele weitere Kräuter eröffnen sich Nase und Mund. Geruch und Geschmack entwickeln sich im Verlauf weiter und breiten sich wellenförmig in ihren einzelnen Facetten aus. Das Finish ist lang. „Die besten Tequilas haben verschiedene, kohärente Aroma-Ebenen“, so Rob McCaughey. Jetzt seien nicht nur die Vorhänge aufgezogen worden, erklärt er, auch das Fenster stehe nun offen. 

Voreingenommenheiten überwinden lernen

Zum Schluss verkostet das Experten-Duo zum Vergleich den Fortaleza Añejo verkostet. Anderthalb Jahre lag er im Eichenholzfass. Zu Minze, Fenchel und Olive gesellen sich dadurch Vanille, Holz und Kokosnuss. Das Aromenspiel vervielfältigt sich dadurch noch einmal, wobei die genuine „Tequila-ness“ zwangsläufig ein Stück zurück tritt. Ein gutes Beispiel, um die bereits angesprochene „bias“ (Voreingenommenheit) zu identifizieren – und außen vor zu lassen. Persönlich würde er die nicht im Holz gelagerte Variante bevorzugen, doch die hohe Qualität dieses Produkts erkenne er (an), so McCaughey. Christina Veira wies zum Abschluss des spannenden Fachgesprächs noch auf eine Voreingenommenheit besonderer Art hin: Vor allem in westlichen Ländern werde die Qualität nämlich oft anhand des Alters und der Lagerzeit einer Spirituose bemessen. Was auch daran liege, dass es sich oft konkret um Whisky-Tastings dreht. Anhand des Tequilas zeigten die beiden, wie sich diese Herangehensweise aufbrechen lässt: Indem man zunächst dem Rohmaterial Augen-, Nasen- und Mundmerk schenkt und einem die Eigenschaften modifizierenden Element wie der Fasslagerung dann unter dem Aspekt, ob und wie sie mit dem Ausgangsprodukt harmoniert.

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