Japanische Einflüsse in der Berliner Barszene

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Berlin und Japan teilen zahlreiche intensive Verbindungen. Bereits seit 1994 besteht eine Städtepartnerschaft zwischen Berlin und Tokyo, die den politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Austausch fördert. In den Bereichen Wirtschaft und Forschung arbeiten die Berliner Universitäten und japanische Hochschule insbesondere in den Feldern Robotik, KI und Nachhaltigkeit eng zusammen. Zahlreiche japanische DJs und Produzenten prägen die Berliner Szene bei elektronischer Musik und bei Cosplay-Events oder der Anime Messe Berlin offenbaren sich weitere Seiten der japanischen Popkultur.
Architektonisch prägt Japan gar die Silhouette des neuen Berlins. Der eindrucksvolle Sony-Bau am Potsdamer Platz wird von einer Dachkonstruktion gekrönt, die den Fuji stilisiert und somit den heiligen Berg Japans in die deutsche Hauptstadt trägt.
Japanische Köstlichkeiten
In den vergangenen Jahren nahm endlich auch das Angebot der faszinierenden japanischen Genusskultur in Berlin qualitativ und quantitativ erheblich zu. Neben bewährten Restaurants und Imbissen für Sushi und Ramen bietet die Spree-Metropole mittlerweile traditionelle und moderne Genussorte in vielfältiger Ausprägung an. Von der altbewährten Sukiyaki-Tradition im Udagawa in Steglitz bis zur eleganten Coolness des 893 Ryotei mit zahlreichen Interpretationen der Nikkei-Küche, also jener kulinarischen Verbindung, die sich zwischen Japan und Südamerika entwickelte. Oder wie wäre es mit der seltenen Variante von kurz frittierten Spießen auf Kushiage-Art im Kushinoya oder einem japanischen BBQ im Ushido? Dazu kommen besondere Menü-Konzepte in magischer Atmosphäre, beispielsweise im Oukan, Kumami, Shiori oder Zenkichi, um nur einige zu nennen.
Dazu ein Drink? Mehr als nur Sake!
Fast alle modernen japanischen Adressen verfügen über eine Bar und ein sorgfältig kuratiertes Cocktail-Konzept. Die japanische Komponente prägt die internationale Barkultur schon eine geraume Zeit auf vielschichtige Art und Weise. Dass unsere Bars heute mit großen Eiskugeln im Gästeglas arbeiten, wurde mitunter geprägt von jenem geschickten Handwerk japanischer Bartender, die in Windeseile aus einem Eisblock kunstvoll eine Kugel oder einen Diamanten schnitzen. Dazu gesellte sich der „Japanese Hard-Shake“, jene besondere Variante den Shaker zu bewegen – ungefähr so, als würde man einen Peitschenknall verursachen wollen, – wodurch die Luftmoleküle und auch die Eispartikel kraftvoll mit der Flüssigkeit vermählt werden, um auf diese Weise Einfluss auf Textur, Aroma und Geschmack zu nehmen.
Kürzlich erschien eine Neuauflage einer der ältesten Quellen der japanischen Barkultur: „Kokuteeru“ von Yonekichi Maeda aus dem Jahr 1924. Das Buch ist hervorragend kommentiert und ermöglicht einen kurzen Blick auf die Entwicklung des Cocktails in Japan seit der Eröffnung einer ersten Cocktailbar in Yokohama 1860.
Modern Japanese Bar Style
Zu der Zeit von Yonekichi Maeda galt der internationale Stil des Mixens, wie er sich in den Hotelbars rings um den Erdball bewährt hatte. Er selbst war wohl stark vom „Savoy Cocktail Book“ von Harry Craddock geprägt. In „Koketeeru“ suchen wir einheimische Zutaten aus dem Land der aufgehenden Sonne vergebens. Das ändert sich heutzutage gewaltig. Die Zutatenoptionen mit Sake, Shochu, Calpis, Yuzu, Tee, Matcha, Umeshu, Amazake oder Awamori verführen kreative Bartender zu neuen Drinks oder Interpretationen bewährter Klassiker. Zuweilen reicht eine winzige Stellschraube, um subtil und elegant zu faszinieren. Das 893 Ryotei bietet unter anderem einen Signature-Drink namens „Cherry Blossom Colada“ und bringt dafür Rum, geklärte Ananas und Koks, eine Mischung aus Zitrus-Impulsen und Kirschblüten zusammen.
Das Stammhaus der hervorragenden „Sticks & Sushi“ Restaurants an der Potsdamer Straße pflegt vom ersten Tag an einen hohen Anspruch an die Getränkekultur. Dort genießt man beispielsweise einen „Yuzu Zoo“ aus Gin, Umeshu, Yuzu und Zitronenbitter. Oder einen „Shojito“ mit Shochu, Brombeere und Limette.
Frisch neu eröffnet ist das „Stoke“ im nordwestlichen Kreuzberg. Großartiges minimalistisches Design und Menüs rings um gegrillte Spieße werden ergänzt durch eine sorgfältig ausgewählte Getränkeauswahl. Die Weine sind leider arg überteuert, daher lohnt es sich umso mehr, die schönen Cocktails in Erwägung zu ziehen. Großartig ihre Interpretation des Adonis-Cocktail mit Sake, Amontillado Sherry, Umeshu und Kastanie. Auch der alkoholfreie „Lemon Koji“ mit Grüntee, geröstetem Reis, Zitrone und Honig kommt sehr wohlschmeckend daher.
Liebhaber von Jazz-Klängen kennen womöglich die japanischen Jazz-Kissa-Bars. Hier kehren Japaner ein, um in entspannter Atmosphäre einen Rückzugsraum zum Musikhören zu finden. Das Konzept, bei dem Musik nicht als atmosphärisches Hintergrundelement dient, sondern dem bewussten Zuhören dient, setzt in Berlin die „Bar Neiro“ in Mitte um, die aktuell renoviert wird.
Eine Pause bis September gönnt sich derzeit bedauerlicherweise die „Himitsu“ Bar. Am Potsdamer Platz, im gigantischen Foodcourt des „Manifesto“ im Speakeasy-Style versteckt, faszinierte das japanisch inspirierte Barkonzept mit einer coolen Location und ausgefeilten Getränken.
Nun aber endlich: Sake!
Ein sehr authentischer und atmosphärischer Ort ist das „Shizuku“ an der Hasenheide. Neben einem filigranen Snackmenü stehen hier ausgefallene japanische Natural Wines und rare Sake-Varianten im Fokus.
Sake ist ein so elegantes Getränk und verdient hierzulande mehr Wertschätzung. Sicherlich spielen die nicht immer günstigen Preise und die kryptischen Etiketten eine Rolle bei der Zurückhaltung des hiesigen Publikums. Dagegen wenden sich Ilka und Kai Fryder als bewährte Händler mit „Ginza Berlin“, deren Ladenlokal in Wilmersdorf – „Atelier Ginza“ seit anderthalb Jahren die Berliner Getränkeszene bereichert. Nach fast 10 Jahren Erfahrung als Online-Händler für flüssige japanische Erzeugnisse schien die Zeit reif, auch einen Ort für Tastings, Gespräche und Informationsmöglichkeiten zu schaffen. Hier können auch die exotischeren Produkte aus Japan, wie Awamori, Liköre oder die aktuell stark wachsenden aromatisierenden Shochu-Varianten erkundet werden. Sympathisch und kenntnisreich leistet das Team wertvolle Aufklärungsarbeit im Sinne der japanischen Getränkekultur. Die Sake-Auswahl deckt vom Anspruch des Einsteigers bis zum Experten die Sake-Vielfalt exzellent ab.
Weitere Inspiration gibt alljährlich im Herbst die Berlin Sake Week, ins Leben gerufen vom umtriebigen Genuss-Impresario Alexander van Hessen, der ebenfalls das japanische Traditionsgetränk auf eine neue Ebene der Wertschätzung hieven möchte. Zu den Veranstaltungen, gerne unterstützt von Japans Botschaft und Kultureinrichtungen, zählen die verschiedensten Möglichkeiten, Sake neu kennenzulernen. Für Cocktail-Enthusiasten steht dabei stets die wundervolle „Goldfisch Bar“ aus Friedrichshain zur Seite. Verkostungen und Kurse, wie Sake im Cocktail funktioniert, bietet das Barteam dabei an.
Für die Barszene schlummert noch ein reiches Füllhorn an Entdeckungsmöglichkeiten in den flüssigen Köstlichkeiten aus Fernost. In diesem Sinne: Kampai!
Weitere Infos zu den genannten Bars:
- 893 Ryotei
- Sticks & Sushi
- Stoke Berlin
- Bar Neiro
- Himitsu Bar
- Shizuku
- Ginza Berlin
- Sake Embassy
- Goldfisch Bar