Eine Botschaft für Tequila, Mezcal und die Menschen dahinter 

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Tequila und Mezcal werden in der Barszene immer beliebter. Doch noch immer haftet der Kategorie in Konsumentenkreisen ein schlechtes Image an, was vor allem mit schlechten Qualitäten alter Zeiten zu tun hat. Wie Bars zu Botschaften für gute, genussvolle Agavenbrände werden können, wurde auf dem BCB 2023 präsentiert.  

Ja, auch der Autor dieser Zeilen hat Tequila in seiner berüchtigtsten (man kann auch sagen minderwertigsten) Form kennen gelernt: Als Shot mit Salz und Zitrone – manchmal auch als ganz bösen Shotdrink „Tequila Peng“ mit süßem Sekt – und mit der Idee im Kopf, dass eigentlich noch ein Wurm in die Flasche gehört und Tequila aus Kakteen gemacht wird. Apropos Kopf: Dass dieser nach diesem „unperfect serve“ sich am Folgetag anfühlte wie in einem zu engen Sturzhelm – kaum überraschend. Das ist lange her, und dank der Tätigkeit im Gastro- und Getränkebusiness weiß der Autor heute, dass es guten Tequila gibt. Sehr guten. Dass der Unterschied zwischen Mixto und 100% Agave ein Unterschied ums Ganze ist. Dass es gereifte Qualitäten gibt. Dass es Mezcal gibt. Sogar Sotol.

 

Tequila-Bars leisten immer noch Pionierarbeit

Wie schön. Doch wer weiß das alles hierzulande schon außerhalb der Bar-Bubble? Nur, wer sich aus eigenem Antrieb aufmacht, sich zu informieren. In den USA, allein aufgrund der geografischen Nähe zu Mexiko, sieht das freilich etwas anders aus. Tequila und Mezcal sind mittlerweile auf Platz zwei und drei, was den Spirituosenabsatz betrifft (Quelle: IWSR Drinks Market Analysis), und diverse Stars und Sternchen haben ihre eigenen Premium-Brands oder Kooperationen. Hiesige Bars mit Tequila-Schwerpunkt wie der „Chug Club“ in Hamburg (ein Portrait des Konzepts und der Betreiberin Bettina Kupsa hier) leisten immer noch Pionierarbeit für die Agave und gegen den Kaktus. 

Auch der Botschafter Mexikos in Deutschland, Francisco Quiroga, ließ sich ein Besuch an der "BCB Agave Embassy" nicht entgehen.

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Easy, easy!

Es ist ein dickes Brett, das dabei durch das Klischeeholz zu bohren ist. Oder, um es so entspannt wie Stelios Papadopoulos zu formulieren: „Easy, easy“. Diese Formel benutzt der Grieche immer wieder, wenn er über Tequila spricht und wie man Gäste an die Spirituose heranführt: Langsam und mit Bedacht, aber auch mit Leichtigkeit. Man könnte fast sagen mit Diplomatie, denn der Co-Betreiber der Athener Bar „Barro Negro“ (mit rund 200 Agavenspirits im Programm) und sein Team haben auf dem diesjährigen Bar Convent Berlin die „BCB Agave Embassy” aus der Taufe gehoben. Ein Teil davon bildete die Education-Fläche, das „Agave Camp“. Entwickelt und umgesetzt wurde das dreitägige Sonderformat mit Vorträgen und Tastings zusammen mit dem 2019 gegründeten „Club Cantina“, einer Bildungsplattform für Agavendestillate im GSA-Bereich. 

 

Vielseitig und bestens mixbar

Es gehe darum, Bildung rund um Tequila zu vermitteln, aber dieses in Genuss einzubinden, erklärt uns der sympathische Papadopoulos: „Wir führen die Leute im Barro Negro easy, easy in unsere Kultur ein. Wir fragen sie: Was trinken Sie sonst gerne? Whisky? Einen Daiquiri? Weil Agavenbrände so vielseitig und gut mixbar sind, finden wir immer etwas, das dem Geschmack des Gastes entspricht.“ Den Gästen en passant auch etwas zur Anatomie der Agavepflanze erzählen zu können, unterstütze das bessere Verständnis für das oft verkannte Produkt. „Warum wertschätzen die Leute Wein? Weil sie ein Wissen über die Trauben entwickelt haben und Stile erkennen.“

Das Agave Camp zog sowohl Agave-Fans als auch wissbegierige Anfänger an, um sich zu Tequila und Mezcal weiterzubilden.

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Artischocke statt Kaktus

Dem Fachpublikum auf dem BCB erklärt er, dass die Agave mit der Artischocke und der Lilie verwandt ist. Dass das Terroir mitprägt, wie das Geschmacksbild des Brandes ist – krautig, pfeffrig, würzig dank der vulkanischen Böden der tieferen Ebenen, während tropenfruchtig, süß und funky eher auf das Hochland zurückzuführen sei. Dass es mindestens neun Jahre dauere, bis das Erzeugnis von der Pflanzung über die Ernte, Destillation und Lagerung in die Flasche und schließlich in die Bar komme. „Wenn wir mit einem guten Tequila-Cocktail aufwarten wollen, müssen wir uns damit beschäftigen“, richtet sich der Experte an seine Kollegen. Gina Barbachano, Bartenderin im„Hanky Panky“ in Mexico-City pflichtet ihrem Athener Kollegen bei: „Es gibt eine enorme Varietät bei Agavenspirits, von süßsäuerlich bis rauchig. Fangt mit zugänglicheren Drinks an“, ist ihr Rat. Ihr Mixtipp und persönlicher Favorit ist ein „Naked & Famous“, der Mezcal mit gelber Chartreuse, Aperol und frischem Limettensaft kombiniert.

Gernot Allnoch von Club Cantina in einem Vortrag des Agave Camps

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100% Agave liegt weit vorne

Lauren Mote, „Agave Evangelist“ für die große Tequilamarke Pátron, hat Schaubilder zu ihrem Talk im Agave Camp der „BCB Agave Embassy” mitgebracht. Die verdeutlichen nicht nur das enorme Wachstum der Kategorie, sondern zeigen auch die Schnittpunkte zweier Graphen: 2008 überholten die hochwertigen 100% Agave-Qualitäten erstmalig die minderwertigen Mixtos (mindestens 51% Agave), seit 2015 liegt das Premiumsegment nahezu uneinholbar vorne. Mit dem Qualitätsanstieg steige die Notwendigkeit für Aufklärung, findet die Niederländerin – dass Agavenspirits einen kulturellen Ursprung haben und es ein aufwändiger landwirtschaftlicher Prozess ist, sie gedeihen zu lassen und zu ernten. Mit der Initiative „Pátron Perfectionists“ versuche man, dieses Wissen zu transportieren, auch indem man mit Bartendern und Köchen zusammenarbeitet.

Die Bar der "BCB Agave Embassy" wurde von dem Team von Barro Negro Athens drei Tage lang mit großartigen Drinks bespielt.

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Harte handwerkliche Arbeit …

Wie landwirtschaftlich die Herstellung von Mezcal ist, wie hart die Handarbeit, die dahintersteckt, zeigen die Bilder, die Esteban Morales Garibi mitgebracht hat. Er hat die Mezcal-Marke La Venenosa Raicilla gegründet und vertreibt mit „Casa Endemica“ ein Portfolio mexikanischer Boutique-Spirits. Keine industriell hochskalierten Destillationsprozesse, sondern Öfen aus Lehm, provisorisch anmutende Brennanlagen, Fermentation im Boden und Nutztiere, die Steinräder antreiben, mit denen die Agaven zerkleinert werden. „Eating is an agricultural act“, lautet der bekannte Satz des US-Romanciers und Aktivisten Wendell Berry, „drinking auch“, könnte man mit Blick auf die Bilder antworten.

… und eine Chance für Mexikos Bevölkerung

Dass im Zuge des Tequila-Booms auch Mezcal immer beliebter werde, sieht er als große Chance für die Kleinbrenner. Nur ein Zehntel der Bevölkerung Mexikos lebe nicht von der Hand in den Mund. Esteban Morales Garibi: „Mezcal bietet uns die Gelegenheit, vielen Familien ein besseres Leben zu ermöglichen und lokale Gemeinschaften weiterzuentwickeln. Wir brauchen das Wachstum.“