Das Potenzial von Wein in Bars

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Bar ohne Namen

Entschlossen verweigert sich Savage, der Bar einen Namen zu geben. Stattdessen sind drei klassische Design-Symbole das Logo der Trinkstätte in Dalston: ein gelbes Quadrat, ein rotes Viereck, ein blauer Kreis. Am meisten wurmt den sympathischen Franzosen dabei, dass es kein Gelbes-Dreieck-Emoji gibt. Das erschwert auf komische Weise die Kommunikation. Der Instagram Account lautet: a_bar_with_shapes-for_a_name und anderenorts tauchen die Begriffe ‘Savage Bar’ oder eben ‚Bauhaus Bar‘ auf.

 

Für den BCB bringt Savage nun sein Barkonzept mit und mixt für uns mit Unterstützung von Russian Standard Vodka an der perfekten Bar dazu.

 

 

 

 

Ein Gastbeitrag von Roland Graf (für KALK&KEGEL)

 

Die Unwissenheit von Sommelièren und Sommeliers über Cocktails ist erschreckend, aber auch das Wissen von Bartenderinnen und Bartender für Wein lässt aktuell noch zu wünschen übrig. Doch es kommt Bewegung in die Fronten.

Es wird seit jeher in der Barwelt mit Wein gearbeitet. Gerade die ikonischsten Cocktails – nennen wir nur Manhattan, Martini oder Negroni – beinhalten alle auch Wein-basierte Zutaten. Vom Champagner ganz zu schweigen. Wobei auch der in nicht wenigen vielfach „nur“ zum Toppen von Klassikern wie dem „French 75“ verwendet wird, aber keine größere Auswahl nach sich zog. Es ist also nicht so leicht mit der Bar und den Weinen. Speziell wer plötzlich einschießenden Durst nach Rotwein haben sollte, wird ihn in der Bar meist nur mit den wenigen Tropfen am „Boston Sour“ stillen können. Jahrgangstiefe ist allenfalls dem Whisky vorbehalten. Und fragt man selbst versierte Mixologinnen und Mixologen nach der Rebsorte eines Wermuts, wird es meist recht still.

Dabei liegt auch hier eine Chance, Wein und Wermut parallel auszuschenken. Nerds mögen so etwas! Dass etwa der „Noilly Prat“ von der raren Rebsorte Piquepoul Blanc lebt, versteht man in der Sekunde, wenn man den strohig-trockenen Weißwein aus Südfrankreich einmal im Glas hat. Zumindest dort, wo Frankreich um die Ecke liegt, erlebt man derlei auch: „One Trick Pony“, die gefeierte Cocktail-Bar in Freiburg/Breisgau, führt neben elaborierten Drinks auch eine satisfaktionsfähige Weinkarte. „Entweder die Gäste trinken Cocktails oder sie kommen zu uns, um Wein zu trinken“, geht für Co-Eigentümer Boris Gröner diese Rechnung auf. Ein Wechsel zwischen den beiden Getränkewelten kommt im „Pony“ allerdings kaum vor.

Dafür hat man einen einfachen Weg gefunden, das kalkulatorische Problem zu lösen: „Erwähnen sollte ich, dass wir nur Flaschen und keine offenen Weine verkaufen.“ Damit steht neben dem 14-Euro-Cocktail kein Weinschorle trinkender Sparefroh, der einen Abend lang Umsatz kostet. Beim gefühlten Preis ist der Cocktail dann sogar die günstigere Option. In Freiburg hat man aber auch an der Kompetenz gearbeitet. Gröners Geschäftspartner Andreas Schöler war es vorbehalten, sich brutal in das Weinthema einzulesen und zu trinken. Er kümmert sich komplett um die Weinauswahl.

Mit diesem Wissen im Hintergrund hat man während der Pandemie sogar einen Shop mit Weinen eingerichtet. Der Versuchsballon aus dem Jahr 2020 ist geblieben und umfasst heute ca. 150 verschiedene Positionen Wein. Gröner nennt dieses Angebot „nicht sooo viel“. Dafür allerdings sind Naturweine im „One Trick Pony“-Universe ein großes Thema: „In unserem Shop und in der Bar verkaufen wir gefühlt 80 Prozent Naturweine“. Und aktuell ist man auf der Location-Suche in Freiburg – ein eigenes Weinlokal in der Grauburgunder-Hauptstadt soll folgen.

© One Trick Pony

Lebenslust statt Lagen-Anbetung

Eine Ausnahme, ein „Gallisches Dorf“, ist man damit aber nicht mehr. Speziell abseits der ubiquitären Weinangebote blüht das Angebot auch in den Cocktail-Bars. Nicht zuletzt auch deshalb, weil der Wein eine deutlich alkoholärmere Bestellung darstellt als Cocktails, die nicht selten 18 bis 25 Volumenprozent Alkohol aufweisen, ohne dass das vielen Gästen bewusst wäre. Ein Blick in die stolze Bier-Stadt München macht das deutlich. „Als ich vor zwölf Jahren mit 60 Weinen anfing, lachten mich noch alle aus“, sieht dort Kristijan Krolo einen Wandel, der auch mit den Gästen selbst zu tun hat.

In seinem Falle ist der weinfreundliche Fokus umso bemerkenswerter, als seine Münchener „Loretta“ bereits zwei Schwerpunkte hatte: Tagsüber gibt es Top-Espresso für die Nachbarschaft, ab der „Blauen Stunde“ regiert der Amaro – mit der größten Auswahl Europas, bis hinein ins Vintage-Segment verschwundener Abfüllungen. „Kris“ Krolo ist aber auch Gründer von „Balis“-Limonaden und hat jüngst auch dort die Range um zwei Weine (Frizzante bzw. Rosé aus dem Veneto) erweitert. „Ein weiterer Weißwein und Rotwein folgen“, wälzt der Münchner bereits Erweiterungspläne.

Denn für ihn passt das Angebot in die Zeit und ist auch leichter zugänglich als die Cocktail-Welt. Die Etiketten mit dem schnauzbärtigen Taucher auf seinem Rosé bzw. Perlwein namens „rokko“ erinnern denn auch eher an Craft Beer. Bewusst! „Denn das trinkst du aus einer Laune, um Spaß zu haben und nicht, weil man dir einen zehnminütigen Vortrag über den richtigen Wermut gehalten hat.“ Bis heute sind es etwa 100 Flaschen Wein auf der „Loretta“-Karte. „Und ihr Absatz ist sehr gut“, wie Pionier Krolo zumindest für München attestiert.

Mit seiner eigenen Marke spricht er aber auch eine neue Klientel an. Je nach Sommelier-Ego mag man sie als ahnungslos, unverbildet oder neugierig bezeichnen. Kristijan Krolo spricht aber nicht über Säurewerte und Jahrgangsunbilden, sondern lässt lieber die Frage im Raum stehen: „Warum kann man nicht gute Qualität mit Spaß verbinden und einem Frizzante oder Rosé ein Gesicht und Namen geben, an den sich die Leute erinnern?“ Wein in diesem Verständnis steht für Lebenslust, ohne sich immer zu ernst zu nehmen.

Die Bar wird zur Edel-Vinothek

Sieht man diesen offenkundigen Widerspruch zwischen der bayrischen Gelassenheit in Sachen Wein und der Wiener Zurückhaltung, begibt man sich vielleicht besser auf neutrales Terrain. Next stop: Schweiz, Zürich, Stadthausquai. „Unser Wein-Geschäft beträgt rund 15 Prozent des Gesamt-Umsatzes“, rechnet Dirk Hany dort vor. Der Gastgeber der „Bar am Wasser“ versteht sich durchaus selbst als Sommelier des Hauses, einen Steinwurf vom Zürisee entfernt. „Doch ich hole mir immer Inspirationen von unseren Lieferanten“.

© Bar am Wasser

So sehr bei ihm auch Flaschenweine der absoluten Oberliga (Hany nennt Château Pichon-Longueville, Bodega Pintia und Château Pétrus als Beispiele) geordert werden: Drei Punkte sind auch in einer Schweizer Top-Bar wesentlich.

1) Es kommt eher wenig vor, dass Gäste zwischen Cocktail und Wein wechseln.

2) Grundsätzlich suche ich Preis-Leistung-Weine aus, die nicht im Handel erwerbbar sind.

3) Auch schaue ich, dass wir nicht dasselbe Angebot wie unsere Nachbarn haben.

Damit hat sich ein Stammpublikum für Weine ergeben, das nur aufgrund des spezialisierten Angebots die „Bar am Wasser“ aufsucht. Zumal mit 140 Positionen an Champagner auch ein echter Schwerpunkt lockt. Der hat sich über „Les Bulles“ ergeben, das Schweizer Handelshaus für Winzerchampagner – Dirk Hany ist einer der vier Gründer. Seine Rolle definiert sich laut Firmenporträt gerade über die Cocktailbar: „Er weiß, was die Gäste mögen und wie man ihnen Neues näherbringt.“ Und das darf dann gerne auch ein Wein sein!