Nachhaltigkeit ja, Greenwashing nein

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Alles ist heute scheinbar grün. Slogans à la „Schluck für Schluck gut für den Planeten“ (Pflanzenmilch) oder „Shopping? Öko-logisch!“ (ein Berliner Einkaufscenter) begegnen uns zunehmend auf Plakaten und anderen Werbeformaten. Es ist modern, sich nachhaltig zu geben. Die Verbrauchenden sollen sich beim Kauf des Produktes gut fühlen dürfen – klar, immer schon, aber nun auch und ganz besonders, indem das ökologische Gewissen gleich mit beruhigt wird. Führt dies dazu, dass die Produkte immer nachhaltiger werden? Vielleicht langfristig, wäre schön! Vor allem und viel zügiger jedoch führt es dazu, dass die Kommunikation der Nachhaltigkeit immer dringlicher wird – man will ja nicht hinter der Konkurrenz zurück stehen. Und dies befeuert das berüchtigte Greenwashing, also den Versuch, sich ein „umweltfreundliches und verantwortungsbewusstes Image zu verleihen, ohne dass es dafür eine hinreichende Grundlage gibt“ (Wikipedia-Definition).


Greenwashing versteckt sich überall …

Greenwashing begegnet uns, und das ist das Perfide, nicht nur in Form empörender Skandale, etwa wenn Autokonzerne ihre vermeintlich umweltfreundlichen Fahrzeuge mit Software ausrüsten, die die wahren Emissionen kaschieren, oder Bekleidungshersteller ihre angebliche Öko-Kollektion mit nahezu ausschließlich falschen Behauptungen anpreisen (mehr dazu hier). Nein, Greenwashing begegnet uns eben auch im Alltäglichen und versteckt sich hinter dem sogenannten Halo-Effekt: ein ökologischer Pluspunkt eines Produkts wird so hervorgehoben, dass die vielen Minuspunkte dahinter im Verborgenen bleiben.

 

… auch in der Hospitality-Welt

Ein Beispiel aus der Branche: Wenn ein Unternehmen „grüne Sterne“ an besonders nachhaltig arbeitende gastronomische Betriebe verleiht, selbst aber als größter Reifenhersteller der Welt ein Mega-Emittent von Mikroplastik und Schwermetallen ist, dann ist das letztlich Greenwashing. Und wie ist es zu bewerten, wenn ein Spirituosen-Hersteller einen als nachhaltig titulierten Cocktail-Wettbewerb durchführt und die Gewinner und Gewinnerinnen der regionalen Vorentscheide aus aller Welt zum Finale eingeflogen werden? Nun, gewiss nicht als nachhaltig. Es geht also um Wahrhaftigkeit. Und die fußt, das ist kein großes Geheimnis, auf Nachweisbarkeit. Wie agieren Barbetriebe nachhaltig und verhindern, in Greenwashing-Fallen zu tappen? Hier sind unsere 5 Impulse.



1. Den nachhaltigen Ist-Zustand prüfen

Je exakter und belegbarer die Nachhaltigkeit im Unternehmen, desto geringer die Greenwashing-Gefahr. Schritt 1 ist daher eine Ist-Analyse. Das Unternehmen kommt bezüglich seines aktuellen Nachhaltigkeits-Status auf den Prüfstand. Wo arbeitet man bereits ökologisch und ressourcenschonend? Wo gibt es Nachholbedarf und Verbesserungsmöglichkeiten? Die Analyse wird umso präziser, je genauer hingeschaut wird – in die Abrechnungen, die Verbrauchsmengen, Belege, Vorjahreswerte und so weiter. Durch Zählen, Messen, Wiegen, eine „grüne Inventur“, erhält man exakte Werte. Sie zeigen, ob man in einem bestimmten Aspekt bereits auf einem guten Weg ist oder ob es Anpassungsbedarf gibt – und hat bei Rückfragen belegbare Zahlen zur Hand (siehe Punkt 3 und 4). Freilich ist die Analyse eine Team-Aufgabe: Alle sollen sich einbringen, ihre Beobachtungen teilen, Ideen geben und so weiter. Es ist auch eine ganzheitliche Betrachtung: Von den Zutaten der Drinks (welche Garnitur ist entbehrlich, was gegen ein regionales Produkt austauschbar usw.) bis zum Energie-Einsparpotential – auch ökonomisch sehr relevant, jetzt mehr denn je – wird alles gecheckt. Gemeinsam entsteht so eine Liste von Themen bzw. Einzelaspekten für die nächsten Schritte.

Die „sustainable development goals“, die 17 Nachhaltigkeitsziele der UN, können als Orientierung verwendet werden. Und noch mehr auf die Branche zugeschnitten sind die Nachhaltigkeits-Kriterien von greentable.org, der Initiative für nachhaltige Gastronomie.



2. Eine nachhaltige Zielvereinbarung erstellen

Wenn nach der „grünen Inventur“ der Status Quo bekannt ist, geht es ans Strategische: Welche Aufgaben ergeben sich daraus für das Unternehmen? Welche Ziele will man erreichen? Was ist kurzfristig erreichbar, was mittelfristig, was ist ein langfristiges Ziel? Commitment lautet das Stichwort: Als Ergebnis z.B. eines Team-Meetings zur Nachhaltigkeits-Strategie entsteht eine, schriftlich fixierte, Zielvereinbarung. Beispiel: „Wir wollen unsere logistikbedingten Emissionen jährlich um 10 Prozent senken“ (sprich die Emissionen, die bei den eigenen Transport- bzw. Lieferfahrten entstehen, lässt sich im Fahrtenbuch nachvollziehen). Diese Zielvereinbarung dient als interne Orientierung und kann sogar für die externe Kommunikation genutzt werden.

Eine gute Inspiration für die Erstellung einer solchen Zielvereinbarung bietet der „Code of Conduct“ der Berliner Initiative „Clubtopia“, an dem sich bereits mehrere städtische Clubs und Bars beteiligen.



3. Ein hauseigenes Nachhaltigkeitskonzept aufsetzen und zugänglich machen

Auf Basis des Ist-Zustands sowie der Zielvereinbarung lässt sich relativ einfach – und vor allem glaubwürdig, weil mit Fakten hinterlegt – ein betriebsinternes Nachhaltigkeitskonzept erstellen. Dieses stellt in kompakter Form, zum Beispiel als Einseiter, das Engagement des Unternehmens vor. Zum Beispiel so:

„Wir verwenden 100 Prozent echten Ökostrom mit dem Grüner-Strom-Label/Ok-Power-Gütesiegel.“
„Wir verwenden frische Früchte ausschließlich in Bioqualität.“
„Wir kaufen nur Kaffee und Tee aus nachweislich fairer Produktion.“
„Wir spenden X Prozent unseres Umsatzes an die Initiative Y.“
„Wir senken unsere Abfallmenge, indem wir ausschließlich wiederverwendbare Trinkhalme, Stirrer, Untersetzer und … benutzen.“
„Wir verzichten auf Zitrusfrüchte und verwenden stattdessen unser hausgemachtes Zitronenwasser“

Es kann und sollte aber auch selbstkritisch sein und offenlegen, woran man noch Schwächen und woran man zu arbeiten hat. Es kann Gäste sogar einbeziehen:

„Wir wollen unseren Energieverbrauch jährlich um 5 Prozent senken, indem wir …“
„Wir haben noch keine gute Alternative für Z gefunden. Wir sind aber dran – und falls ihr eine Idee habt, lasst sie uns gerne wissen!“

Auch hier gilt wieder: Das Konzept möglichst konkret und nachvollziehbar machen. Und für die Gäste zugänglich – auf der Webseite, in der Karte (wenn es zum Konzept passt) und im Service-Gespräch, zumindest dann, wenn danach gefragt wird.



4. Ausgewählte Maßnahmen für die Kommunikation nutzen

Wer sich wirklich für Nachhaltigkeit engagiert und es belegen kann, sollte dieses auch für sein Marketing bzw. seine Kommunikation nutzen (aber auch erst dann!). Wie, wie intensiv und über welche Wege, ist eine individuelle und konzeptuelle Entscheidung. Und es darf gerne locker und auch mal humorvoll sein. Bars sind, das wissen wir alle, Orte, in die Menschen gehen, um zu genießen, sich mit Freunden zu treffen, den Alltag hinter sich zu lassen. „Niemand will an einem Freitagabend mit Nachhaltigkeitsinformationen bombardiert werden, wenn man sich eigentlich entspannen will“ hat es Louisa Dodd von der SRA so schön auf den Punkt gebracht, als wir im Vorfeld des BCB 2021 mit ihr sprachen. Wohl aber lässt sich mit ausgewählten Aspekten sehr gut arbeiten: Das Rezept für das hauseigene Zitronenwasser (siehe Punkt 3) kann man seinen Gästen für zu Hause verraten bzw. mitgeben. Gästen wie Kollegen aus anderen Bars kann man seine Kniffe zeigen, Einblicke geben und Erfahrungen mit ihnen austauschen. Wer sich gesellschaftlich über den Betrieb hinaus engagiert, darf dies gerne auf seinen Kanälen zeigen und andere zum Mitmachen motivieren.

Der „ökologische Handabdruck“ ist ein Modell, mit dem sich die Kommunikation nachhaltiger Botschaften einfacher umsetzen lässt.



5. Impulse von außen nutzen

Zu einer guten Kommunikation gehört auch, offen für Kritik zu sein, Ideen und Hinweise entgegen zu nehmen. Ein ständiger Austausch mit den Stakeholdern der Bar – Gästen, Mitarbeitenden, Lieferanten, Außendienstlern – hilft, um sich auch im Bereich der Nachhaltigkeit weiterzuentwickeln. Nachhaltigkeit ist schließlich ein fortwährender Prozess. Wichtig dabei ist, dass die Impulse intern verarbeitet werden. Louisa Dodd empfiehlt in ihrem BCB-Talk, einen „green champion“ im Team zu bestimmen – eine in Sachen Nachhaltigkeit passionierte Person, die nicht nur darauf achtet, dass die vereinbarten Nachhaltigkeitskriterien eingehalten werden, sondern die auch für die „grüne“ Kommunikation zuständig ist und somit dafür sorgt, dass der Austausch belebt bleibt.

Mehr Ideen für nachhaltiges Engagement und seine Kommunikation gibt es im BCB-Vortrag von Louisa Dodd (Video hier, ab 4:35:50).

Bar ohne Namen

Entschlossen verweigert sich Savage, der Bar einen Namen zu geben. Stattdessen sind drei klassische Design-Symbole das Logo der Trinkstätte in Dalston: ein gelbes Quadrat, ein rotes Viereck, ein blauer Kreis. Am meisten wurmt den sympathischen Franzosen dabei, dass es kein Gelbes-Dreieck-Emoji gibt. Das erschwert auf komische Weise die Kommunikation. Der Instagram Account lautet: a_bar_with_shapes-for_a_name und anderenorts tauchen die Begriffe ‘Savage Bar’ oder eben ‚Bauhaus Bar‘ auf.

 

Für den BCB bringt Savage nun sein Barkonzept mit und mixt für uns mit Unterstützung von Russian Standard Vodka an der perfekten Bar dazu.